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View Full Version : [de] Deutsch-und deutsche Geschichte


Saturn345
04-02-2006, 21:57
Hallo Ihr ist die Deutsch-und die deutsche Geschicht!


Deutschland

Kurzinformation:
Fläche: 357022 km2
Einwohner: (2001) 82,441 Mio.
Hauptstadt: Berlin
Verwaltungsgliederung: 16 Bundesländer
Amtssprache: Deutsch
Nationalfeiertag: 3.10.
Währung: 1Euro (EUR, ) = 100 Cent
Zeitzone: MEZ

(amtlich Bundesrepublik Deutschland), Staat in Mitteleuropa, grenzt im Norden an Nordsee, Dänemark und Ostsee, im Osten an Polen und die Tschechische Republik, im Süden an Österreich und die Schweiz, im Westen an Frankreich und im Nordwesten an Luxemburg, Belgien und die Niederlande. Zu Deutschland gehören in der Nordsee die Ostfriesischen Inseln, Helgoland und der überwiegende Teil der Nordfriesischen Inseln, in der Ostsee Fehmarn, Poel, Rügen, der größte Teil von Usedom u.a. kleinere Inseln.

Staat und Recht:
Die staatliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland wird durch das Grundgesetz bestimmt, dessen Artikel 20 als eine Fundamentalnorm angesehen wird, in der das Selbstverständnis der Verfassung und die sie tragenden Grundentscheidungen gebündelt werden: Deutschland ist ein republikanischer, demokratischer, sozialer und föderativer Staat. Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus (das heißt, das Volk ist der Souverän); sie wird vom Volk in Wahlen und Abstimmungen durch besondere Organe der Gesetzgebung (Legislative), der vollziehenden Gewalt (Exekutive) und der Rechtsprechung (Judikative) ausgeübt (Artikel 20 Absatz2). Das hierin zum Ausdruck gebrachte Prinzip der Gewaltenteilung wird allerdings nicht strikt gehandhabt, sodass gewisse Formen der Gewaltenüberschneidung möglich sind. Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden (Artikel 20 Absatz3). Die Festlegung des GG auf die Staatsform der parlamentarischen Demokratie, auf das Mehrparteienprinzip und die Achtung der Menschenrechte wird zusammenfassend als freiheitliche demokratische Grundordnung bezeichnet; alle Deutschen haben das Recht zum Widerstand gegen jeden, der die Beseitigung dieser Grundordnung betreibt (Artikel 20 Absatz 4). Eine bestimmte Wirtschaftsordnung schreibt das GG nicht vor (Wirtschaftsneutralität des GG).
Die föderativen Glieder Deutschlands sind die Länder, also Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen sowie die Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg. Obwohl die Länder Staaten mit eigener Staatsgewalt und eigenem Staatsgebiet sind, liegt die höchste Staatsgewalt, die Souveränität, beim Bund als dem Gesamtstaat; Bundesrecht bricht Landesrecht (Artikel31 GG). Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muss den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates entsprechen. Den Gemeinden und Gemeindeverbänden steht das Recht der kommunalen Selbstverwaltung zu (Artikel28 GG). Eine Staatskirche besteht nicht.

Regierungssystem:
Staatsoberhaupt ist der Bundespräsident. Er wird von der Bundesversammlung auf fünf Jahre gewählt. Die Bundesregierung ist oberstes Organ der Exekutive. Sie besteht aus dem Bundeskanzler und den Bundesministern. Legislative Gewalt haben aufgrund der föderalistischen Struktur der Bundestag als Bundesparlament sowie die Länderparlamente. Das GG unterscheidet die ausschließliche, die konkurrierende und die Rahmengesetzgebung (Gesetzgebungsverfahren); der Bundesregierung steht ein Initiativrecht (Gesetzesinitiative) zu. Der Bundestag ist das einzige Bundesorgan, das unmittelbar vom Volk gewählt wird. Durch den Bundesrat wirken die Länder bei der Gesetzgebung und der Verwaltung des Bundes mit (Artikel50 GG).

Parteien und Verbände:
Nach dem GG sollen die politischen Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken: ihre innere Ordnung muss demokratischen Grundsätzen entsprechen; über die Herkunft ihrer Mittel müssen sie öffentlich Rechenschaft ablegen (Artikel21 GG). Wenngleich sie im GG nicht erwähnt werden, nehmen neben den Parteien verschiedene Interessenverbände Einfluss auf die individuelle Meinungs- und die politische Willensbildung. Ein starker und unkontrollierbarer Einfluss der Interessenvertretungen auf Parteien, Fraktionen und Landes- beziehungsweise Bundesregierung wird gelegentlich als die im GG verankerte Volkssouveränität und demokratische Ordnung unterlaufend kritisiert.
Die Verwaltung obliegt den Behörden des Bundes (Bundesverwaltung) und der Länder.

Rechtswesen:
Durch die Verankerung des Rechtsstaatsprinzips wird in Deutschland staatliches Handeln den Gesetzen unterworfen und diese Gesetzmäßigkeit staatlichen Handelns durch eine umfassende Rechtsschutzgarantie und durch die Unabhängigkeit der Gerichte sichergestellt. Die Stellung der Justiz wurde durch die Möglichkeit, zur Überprüfung politischer Entscheidungen und Vereinigungen auf ihre Verfassungsmäßigkeit das Bundesverfassungsgericht anzurufen, erheblich verstärkt. Für die der Bundesrepublik Deutschland am 3.10. 1990 (nach Artikel23 GG) beigetretenen Länder der ehemaligen DDR gilt Bundesrecht mit bestimmten Ausnahmen, die in der AnlageI zum Einigungsvertrag vom 31.8. 1990 festgelegt sind.

Soziales:
Das GG verpflichtet den Staat, für einen Ausgleich sozialer Gegensätze und eine gerechte Sozialordnung zu sorgen (Sozialstaatsprinzip); es garantiert die Koalitionsfreiheit, freie Berufswahl, verpflichtet zum gemeinnützigen Gebrauch des Eigentums und ermöglicht die Verstaatlichung von Boden, Naturschätzen und Produktionsmitteln. Auf dieser Grundlage entstand ein weit gehendes System der sozialen Sicherung: neue Sozialgesetze zur Regelung von Kündigungsschutz, Tarifvertragsrecht, Mutterschutz, Betriebsverfassung, Personalvertretung, Mitbestimmung, Lastenausgleich der verschiedenen Sozialversicherungen, Sozialhilfe, Arbeitsförderung und -beschaffung, Vermögensbildung u.a.

Landesnatur:
Deutschland hat eine maximale Ausdehnung von 876 km von Nord nach Süd (vom Norddeutschen Tiefland über die Mittelgebirgsschwelle und das Alpenvorland bis zu den Alpen) und 640 km von Ost nach West.

Norddeutsches Tiefland:
Die Nordseeküste, die größtenteils bedeicht ist, wird im Unterschied zur Ostseeküste von den im Gezeitenrhythmus täglich zweimal trockenfallenden Watten begleitet. Das Norddeutsche Tiefland, das in der Niederrheinischen und der Westfälischen Bucht sowie in der Leipziger Tieflandsbucht weit nach Süden reicht, ist in Westdeutschland durch Marschen, Geestplatten (Altmoränen), flache Sanderflächen und feuchte Niederungen sowie die Jungmoränenzone im östlichen Schleswig-Holstein (mit der seenreichen Holsteinischen Schweiz) charakterisiert. Eine besonders ausgedehnte Geestlandschaft, durchzogen von den Endmoränenwällen des Südlichen Landrückens, ist die Lüneburger Heide zwischen den Urstromtälern von Elbe und Aller. Das Norddeutsche Tiefland setzt sich in Ostdeutschland fort. Zur Jungmoränenzone, die bis zum südlich von Berlin verlaufenden Glogau-Baruther Urstromtal reicht, gehören die welligen, von Talzügen (mit Seen) unterbrochenen Platten im nördlichen Mecklenburg-Vorpommern, die Mecklenburgische Seenplatte, die Uckermark, die Prignitz und die Platten in Brandenburg (u.a. Ländchen Bellin, Rhinow, Barnim), außerdem die Märkische Schweiz. Im Süden des Norddeutschen Tieflands finden sich die Dübener, Dahlener und Annaburger Heide sowie das Oberlausitzer Heideland. Zu den Niederungen gehören das Rhinluch und das Oderbruch, das Havelländische Luch, der Spreewald sowie als größtes deutsches Auenwaldgebiet das UNESCO-Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe. Die fruchtbare, aus Lössaufwehungen bestehende Bördenzone, die den nördlichen Fuß der Mittelgebirge begleitet, umfasst u.a. die Jülicher und Zülpicher Börde, die Soester Börde, die Magdeburger Börde, die Südseite der Dresdner Elbtalweitung sowie das Lausitzer Gefilde mit der Kamenzer Pflege.

Mittelgebirgsschwelle:
Die Mittelgebirgsschwelle gliedert sich nördlich von Saar-Nahe-Bergland und Main in Rheinisches Schiefergebirge (linksrheinisch: Eifel und Hunsrück, rechtsrheinisch: Siebengebirge, Bergisches Land, Sauerland, Rothaargebirge, Westerwald und Taunus), Teutoburger Wald, Egge, Weserbergland, Harz mit dem Brocken (1141m über dem Meeresspiegel), Hessisches Bergland und Vogelsberg, Thüringer Becken, Thüringer Wald und Thüringer Schiefergebirge, Rhön, Grabfeld, Vogtland, Elster- und Erzgebirge, Elbsandsteingebirge mit dem Nationalpark Sächsische Schweiz sowie Lausitzer Bergland und Zittauer Gebirge. Weiter im Süden folgen Spessart, Frankenwald und Fichtelgebirge. Im südwestlichen Deutschland wird das 3050 km breite Oberrheinische Tiefland (zwischen Basel und Mainz/Bingen) von Pfälzer Wald und Saar-Nahe-Bergland (im Westen) sowie (im Osten) von Odenwald und Schwarzwald (Feldberg 1493m über dem Meeresspiegel) flankiert, zum Teil von Lössbändern gesäumt, sowie (im Süden) vom vulkanischen Kaiserstuhl durchbrochen. Jenseits von Schwarzwald und Odenwald entfaltet sich aus schmaler Wurzel am Hochrhein das von den verkarsteten Juraflächen der Schwäbischen und Fränkischen Alb umrahmte Schwäbisch-Fränkische Schichtstufenland (mit fruchtbaren Gäulandschaften) wie ein Fächer nach Nordosten bis zur Donau und an den Fuß von Thüringer Wald, Oberpfälzer Wald und Bayerischem Wald.

Alpenvorland:
Das bis an die Donau reichende Alpenvorland, eine von Tertiärsedimenten erfüllte Alpenrandsenke, ähnelt wegen der verbreiteten Überdeckung mit eiszeitlichen Ablagerungen in manchen Zügen dem Norddeutschen Tiefland; doch liegt es viel höher (400800m über dem Meeresspiegel). Vor dem Alpenrand umschließen die Endmoränenkränze der würmeiszeitlichen (letzte pleistozäne Eis- oder Kaltzeit des alpinen Vereisungsgebiets) Alpengletscher das Jungmoränenhügelland mit vielen Seen: Bodensee, Ammer-, Starnberger, Kochel-, Tegern-, Schlier- und Chiemsee. Dem ausgedehnten Altmoränengebiet (Iller-Lech-Platte, Münchener Ebene) ist im Nordosten das von der unteren Isar durchschnittene, zum Teil lössbedeckte Tertiärhügelland vorgelagert, dessen fruchtbarster Teil der Dungau unterhalb von Regensburg ist. Der deutsche Alpenanteil besteht vorwiegend aus den schwäbisch-oberbayerischen Vor- oder Randalpen, die sich von den waldreichen, mehr rundlichen Flyschvorbergen zu immer höheren, vereinzelt schon über 2000m hohen Ketten der Kalkvoralpen staffeln und mit einzelnen felsigen Gipfeln über die Waldgrenze aufragen (Ammergebirge, Wendelstein, Chiemgauer Alpen). Mehrfach verläuft die Staatsgrenze auch in den Nördlichen Kalkalpen: in den Allgäuer Alpen, im Wetterstein- (Zugspitze 2962m über dem Meeresspiegel) und Karwendelgebirge sowie in den Berchtesgadener Alpen. Der Nationalpark Berchtesgaden, in dessen Zentrum der Königssee liegt, reicht bis an die österreichische Grenze. Der größte Teil des Landes wird von den Stromsystemen von Rhein, Weser und Elbe zur Nordsee entwässert, ein kleiner Teil von der Donau zum Schwarzen Meer.

Klima:
Deutschland liegt in der gemäßigten Klimazone und nimmt eine Mittellage ein zwischen dem maritimen Klima Westeuropas und dem Kontinentalklima Osteuropas. Der Unterschied zwischen Norden und Süden wird durch die Höhenlage der südlichen Landesteile abgeschwächt. Westliche Winde bringen genügend Feuchtigkeit vom Ozean, Niederschläge fallen zu allen Jahreszeiten. Die Temperaturen verzeichnen ein Maximum im Juli und ein Minimum im Januar. Lokale Abweichungen im Temperaturverlauf und in der Niederschlagshöhe sind häufig. So haben die Westseiten der Gebirge höhere Niederschlagsmengen als die Ostseiten; im Schutz von Gebirgen liegen Wärmeinseln (z.B. das Oberrheinische Tiefland).

Pflanzenwelt:
Deutschland liegt in der mitteleuropäischen Zone der sommergrünen Laubwälder. Im Nordwesten herrschen, abgesehen von den Hochmooren, Eichen-Birken-Wälder vor. Auf sandigen Böden des Norddeutschen Tieflands dominiert ein Kiefern-Eichen-Wald; von Menschen zerstörte Waldgebiete werden heute weitgehend von Heidegebieten eingenommen (Lüneburger Heide). Die Waldgebiete der Mittelgebirge zeigen eine starke Artendifferenzierung. Nach oben folgen auf Buchenwälder Mischwälder (v.a. Buchen und Fichten). Die Kammlagen, vereinzelt mit Hochmoorbildung, sind vielfach waldfrei. Zum Typ der Bergmischwälder zählt die Vegetation des von zahlreichen Mooren durchsetzten Alpenvorlandes; auf Kalkschottern findet sich hier auch die Kiefer. Die Mischwälder setzen sich in den Nördlichen Kalkalpen fort mit Buche, Bergahorn und Fichte, die bis zur natürlichen Waldgrenze in etwa 1800m Höhe immer mehr in den Vordergrund tritt. Über dem Krummholzgürtel folgt die Zwergstrauchstufe, darüber alpine Matten.

Tierwelt:
Der ursprüngliche Bestand ist nur noch in Resten erhalten. Viele Großtierarten sind ausgerottet (Auerochse). Elch und Adler sind auf wenige Individuen, der Uhu auf einige Populationen beschränkt oder werden nur in Naturschutzgebieten gehegt. Gämsen wurden im Schwarzwald und auf der Schwäbischen Alb, Muffelwild in vielen Gegenden erfolgreich angesiedelt. Jagdbar sind u.a. Hirsch, Reh, Wildschwein und Feldhase. Sehr vielfältig ist die Vogelwelt; zahlreiche Kulturflüchter wurden durch Kulturfolger ersetzt. Der einst durch die Verschmutzung der Gewässer stark zurückgegangene Fischbestand konnte sich durch die Gesundung der Gewässer in jüngster Zeit wieder erholen.

Bevölkerung:


Bevölkerungsentwicklung:
In Deutschland lebten bis 1945 fast ausschließlich Deutsche; geringe Minderheiten bildeten Polen, Dänen und Sorben. Das kontinuierliche Wachstum der Bevölkerung in den westlichen Bundesländern war nach dem Zweiten Weltkrieg neben einem anfänglichen Geburtenüberschuss v.a. auf Zuzug von außen zurückzuführen. Bis 1953 kamen etwa 10,6 Mio. Heimatvertriebene und Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten und den angrenzenden Staaten Ost- und Südosteuropas. Die Bevölkerungsentwicklung verlief im geteilten Deutschland recht unterschiedlich. Bis 1961 war im Westen die Zuwanderung aus der DDR maßgeblich am Wachstum beteiligt. Seit den 60er-Jahren spielte die konjunkturbedingte Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte die größte Rolle; die Bevölkerung verzeichnete seit 1972 sogar einen Überschuss der Sterbefälle.
Auf dem Gebiet der DDR nahm die Bevölkerung nach Kriegsende infolge des Flüchtlingszustroms und der Umsiedlung aus dem Osten zunächst zu, dann aber bis in die 2.Hälfte der 70er-Jahre ständig ab. Dazu trugen die starke Abwanderung von Arbeitskräften in die Bundesrepublik Deutschland bis 1961 sowie ein hoher Frauenüberschuss als Folge des Krieges bei. Nach der Wende von 1989 verließen erneut sehr viele Menschen v.a. im arbeitsfähigen Alter die ostdeutschen Landesteile; insgesamt wanderten 196190 2Mio. Menschen, 199198 nochmals 1,8Mio. Bewohner aus Ostdeutschland ab.
Ende 2001 lebten 7,32 Mio. Ausländer in Deutschland, das sind 8,9% der Gesamtbevölkerung. Davon waren 26,6% Türken, 8,5% Menschen aus Restjugoslawien, 8,4% Italiener, 5,0% Griechen, 4,2% Polen, 3,1% Kroaten, 2,6% Österreicher, 2,2% Bosnier, 1,8% Spanier, 1,8% Portugiesen sowie 35,8% Angehörige anderer Nationalitäten. 66% aller Ausländer wohnen in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen; in den neuen Ländern einschließlich Berlin beträgt der Ausländeranteil nur 10,1%. 199099 beantragten 1,88 Mio. Ausländer Asyl in Deutschland Von den Anträgen wurden 1999 3,0% anerkannt. 198897 kamen etwa 1,7 Mio. Russlanddeutsche nach Deutschland.

Bevölkerungszahl:
Die Bevölkerungszahl steigt nur durch Zuwanderungsüberschuss oder den Wechsel der Staatsangehörigkeit. Die Geburtenrate war in den 70er-Jahren eine der niedrigsten aller europäischen Länder, z.B. 1978 mit 0,94% (ausländischer Bevölkerungsteil: 1,87%, deutscher Bevölkerungsteil: 0,87%). 1980 stieg die Geburtenrate erstmals seit 1972 wieder über 1%, nach Anstieg (1996/97) sinkt sie erneut. Der Anteil der weiblichen Bevölkerung beläuft sich (Ende 2001) auf 51,1%. Von den (2001) 38,456 Mio. Privathaushalten sind 36,55% Einpersonenhaushalte. Ende 2001 waren 15,3% der Bevölkerung unter 15 Jahre alt, 67,6% 15 bis unter 65 Jahre alt, 17,1% 65 Jahre und älter. Prognosen sagen eine zunehmende Überalterung der Bevölkerung voraus. Die Lebenserwartung (1997/99) der männlichen Neugeborenen liegt in Deutschland bei 74,4 Jahren, die der weiblichen Neugeborenen in Deutschland bei 80,6 Jahren.

Bevölkerungsverteilung:
Die Bevölkerungsverteilung ist recht unterschiedlich, v.a. bedingt durch das seit rund 100 Jahren anhaltende Wachstum der wirtschaftlichen und städtischen Ballungsgebiete. Der älteste Ballungsraum ist das Ruhrgebiet; weitere Räume der Bevölkerungskonzentration sind das Rhein-Neckar-Gebiet, das Rhein-Main-Gebiet, das Saarland, Hannover, München und Nürnberg/Fürth. Im stark industrialisierten Süden der neuen Bundesländer ragen drei Verdichtungsräume heraus: Halle-Leipzig, Chemnitz-Zwickau und der Raum Dresden. Unter den Städten haben nach dem Zweiten Weltkrieg v.a. die Großstädte ein überdurchschnittliches Wachstum erfahren; erst in der jüngsten Gegenwart sind hier fast ausnahmslos Bevölkerungsverluste zu verzeichnen, in erster Linie verursacht durch Abwanderung in die Stadtrandgebiete.

Nationale Minderheiten:
Nachdem Deutschland im Mai 1995 das Europaratsabkommen zum Schutz nationaler Minderheiten unterzeichnet hat, sind vier Volksgruppen (zusammen etwa 190000 Menschen) als nationale Minderheiten anerkannt: die Sinti und Roma, die Dänen in Südschleswig, die Lausitzer Sorben und die deutschen Friesen.


Religion:
Das GG verpflichtet den Staat zu Toleranz, Neutralität und Parität gegenüber allen Religionen und Religionsgesellschaften und sichert unter dem Vorbehalt der allgemeinen Staatsgesetze die Religionsfreiheit des Einzelnen sowie die Autonomie der Religionsgesellschaften als öffentlich-rechtliche Körperschaften. Gegenwärtig (Ende 2001) zählen die katholische Kirche rund 26,7 Mio., die Gliedkirchen der EKD rund 26,3 Mio., die evangelischen Freikirchen rund 370000 Mitglieder; die über 1,1 Mio. orthodoxen Christen gehören verschiedenen Ostkirchen an. Die rund 3,2 Mio. in Deutschland lebenden Muslime (darunter rund 520000 Muslime deutscher Staatsangehörigkeit, davon rund 11000 deutscher Nationalität) unterhalten etwa 2200 Gebetshäuser und Gebetsräume (darunter rund 70 klassische Moscheen). Die jüdischen Kultusgemeinden zählen über 93300 Mitglieder. Etwa 800000 Menschen werden in unterschiedlicher Bindung dem Umfeld religiös beziehungsweise weltanschaulich orientierter Gemeinschaften (Sekten und so genannte Psychogruppen) zugerechnet.

Bildung:
Das Bildungswesen unterliegt der Kulturhoheit der Länder. Die allgemeine Schulpflicht beträgt je nach Bundesland 910 Jahre. Der Grundschule (4 Jahre) schließen sich die Hauptschule (56 Jahre) beziehungsweise Realschule (6 Jahre) beziehungsweise Gymnasium (89 Jahre) oder Gesamtschule an. In manchen Ländern sind Erprobungs-, Orientierungs-, Beobachtungs- oder Förderstufen zwischengeschaltet. Auch existieren verschiedene Sonder- und Spezialschulen beziehungsweise -klassen. Auf die Schule folgt im Allgemeinen die dreijährige Berufsschule, falls keine weiterführende Fach- oder Hochschule besucht wird. Das Bildungswesen der DDR umfasste eine zehnjährige Schulpflicht (polytechnische Oberschule); die erweiterte Oberschule führte in 2Jahren zum Abitur. Die neuen Bundesländer übernahmen entsprechend den Vorgaben des Einigungsvertrages prinzipiell die Strukturen des allgemeinen wie des beruflichen Bildungswesens. Es bestehen über 330 Hochschulen. Die ältesten Universitäten beziehungsweise die Universitäten mit den ältesten geschichtlichen Wurzeln sind Erfurt (gegründet 1378, wieder gegründet 1994), Heidelberg (1386), Köln (1388), Würzburg (Erstgründung 1402, Wiedergründung 1582), Leipzig (1409) und Rostock (1419).

Wirtschaft und Verkehr:
Deutschland ist eines der führenden Industrieländer der Erde. Mit einem BIP von 24600 (2000) je Einwohner und einem BIP von 2063 Mrd. insgesamt zählt es zu den Ländern mit hohem Lebensstandard. Die am 3.10. 1990 vollzogene Wiedervereinigung führte zwei Staaten zusammen, die mehr als 40 Jahre lang wirtschaftlich und politisch getrennt waren. Mit der Schaffung der Währungs-, Wirtschafts und Sozialunion am 1.7. 1990 wurde die DDR aus dem planwirtschaftlichen System herausgeführt und in das System der sozialen Marktwirtschaft integriert. Mit der Umstrukturierung der Rechtsordnung (auf der Basis des GG) sowie der Wirtschafts- und Sozialordnung (auf der Basis der sozialen Marktwirtschaft) in Ostdeutschland ergaben sich trotz zahlreicher Bemühungen um einen sozial verträglichen Ablauf dieses Prozesses schwerwiegende Probleme, insbesondere eine stark anwachsende Arbeitslosigkeit infolge Umstellung oder Liquidation von Betrieben in Industrie und Landwirtschaft (Treuhandanstalt). Weitere Schwierigkeiten erwuchsen aus ungeklärten Eigentumsfragen auch in Verbindung mit dem Grundsatz »Rückgabe vor Entschädigung« und verzögerten oder verhinderten private Investitionen. Durch den Zusammenbruch der Märkte im Ostblock (Auflösung des RGW Mitte 1991) verlor die ostdeutsche Industrie ihre traditionellen Abnehmer, denn mit den RGW-Staaten hatte sie zwei Drittel ihres Außenhandels abgewickelt.
In der Wirtschaftsstruktur und der wirtschaftlichen Entwicklung bestehen auch 13 Jahre nach der deutschen Vereinigung noch immer deutliche Unterschiede zwischen dem früheren Bundesgebiet und den neuen Bundesländern. Eines der Hauptprobleme ist die seit der Wiedervereinigung erstmals in den neuen Bundesländern auftretende Arbeitslosigkeit. Sie betrug im Jahresdurchschnitt 2001 9,4% (alte Bundesländer 7,4%, neue Bundesländer 17,5%).

Landwirtschaft:
In Deutschland sind mit (1999) 968000 Personen nur noch 2,7% aller Erwerbstätigen in der Landwirtschaft beschäftigt, davon 750000 im früheren Bundesgebiet und 218000 in den neuen Bundesländern. Die Zahl der Beschäftigten in der ostdeutschen Landwirtschaft hat sich damit innerhalb von nur sechs Jahren mehr als halbiert (1991: 454000 Personen). Die Struktur der landwirtschaftlichen Betriebe in Westdeutschland und Ostdeutschland ist sehr unterschiedlich. Während es (1999) im früheren Bundesgebiet 441567 Betriebe mit einer landwirtschaftlichen Fläche von 11,5 Mio. ha gibt, existieren in den neuen Bundesländern lediglich 30393 Betriebe, jedoch mit einer Fläche von 5,6 Mio. ha. Die Ursache liegt darin, dass im alten Bundesgebiet die bäuerlichen Familienbetriebe vorherrschen, während in der DDR die einzelbäuerliche Landwirtschaft mit der Zwangskollektivierung 195260 weitgehend zerschlagen worden war. Die danach eingeführten staatlichen oder genossenschaftlichen Großbetriebe bewirtschafteten in der Regel mehrere Tausend Hektar und waren entweder auf Pflanzen- oder auf Tierproduktion spezialisiert. Die Umstrukturierung der Landwirtschaft in den neuen Ländern verlief nach der Wiedervereinigung nicht immer reibungslos. Differenziert nach Kulturarten verteilt sich (1999) die genutzte landwirtschaftliche Fläche von 17,2 Mio. ha wie folgt: 68,7% Ackerland, 29,8% Dauergrünland sowie 0,6% Rebland, 0,4% Obstanlagen, 0,3% sonstige Flächen. Die Anbaustrukturen in Westdeutschland und Ostdeutschland unterscheiden sich nur geringfügig. Hauptanbauprodukte sind Weizen, Gerste, Roggen, Hafer, Raps und Körnermais. Bei den Hackfrüchten überwiegen Kartoffeln und Zuckerrüben. Silomais und Runkelrüben dominieren bei den Futterpflanzen. Im Bereich der Sonderkulturen hat Deutschland nur im Hopfenanbau Weltgeltung: Mit rund einem Viertel der Welterzeugung ist Deutschland hinter den USA der zweitgrößte Hopfenproduzent der Erde. Die Weinproduktion findet mit Ausnahme einiger kleiner Anbaugebiete in Sachsen und Sachsen-Anhalt fast ausschließlich im westlichen Bundesgebiet statt (deutsche Weine).
Einen Schwerpunkt der Landwirtschaft bildet die Erzeugung hochwertiger tierischer Veredelungsprodukte. Unter den EU-Staaten stand Deutschland 2000 in der Milchproduktion an 1.Stelle und bei der Fleischproduktion an 2.Stelle hinter Frankreich. Erzeugt werden Milch, Butter, Käse und Quark sowie Schweine- und Rindfleisch. Deutschland besitzt die größten Schweinebestände (2000: 25,77 Mio.) und nach Frankreich den zweitgrößten Rinderbestand (14,57 Mio., darunter 4,56 Mio. Milchkühe) in der EU. Wegen der Erkrankungen an BSE und Maul- und Klauenseuche kam es zu Beginn des Jahres 2000 zu Massentötungen von Rindern und Schweinen. 89% des Nahrungsmittelbedarfs können in Deutschland aus heimischer Produktion gedeckt werden.

Forstwirtschaft:
Die Waldfläche, (1998) 9,5 Mio. ha, beträgt 27% der Gesamtfläche; davon werden 58,1% forstwirtschaftlich genutzt. Zwei Drittel sind Nadelwälder (v.a. Fichten und Kiefern) und ein Drittel Laubwälder (v.a. Buchen). 2001 wiesen 36% der Wälder keine Schäden auf, 42% waren schwach und 22% stark geschädigt.

Fischerei:
Wichtigstes deutsches Fanggebiet (nach Fangmengen) ist die Nordsee, gefolgt von den westbritischen Gewässern und der Ostsee. Die Fangmenge der Fischerei liegt bei (2000) 217000t. Der Hochseefang wird überwiegend in Cuxhaven und Bremerhaven angelandet. Rostock hat seine Bedeutung als Fischereihafen für die stark verringerte ostdeutsche Fangflotte weitgehend verloren.

Bergbau:
Deutschland zählt auch nach der Wiedervereinigung zu den rohstoffarmen Ländern. Von Bedeutung sind lediglich die Lagerstätten von Braunkohle, Steinkohle und Salz. Deutschland verfügt nach Russland und den USA über die drittgrößten wirtschaftlich nutzbaren Braunkohlelager der Erde; die größten Vorkommen befinden sich in der Niederrheinischen Bucht und in der Leipziger Tieflandsbucht sowie in der Niederlausitz. Die Steinkohlevorkommen befinden sich im Rheinisch-Westfälischen Industriegebiet, im Aachener Raum und im Saarrevier. Die Förderung von Steinkohle ist stark rückläufig. Weitere Bodenschätze sind die Steinsalzlager in Niedersachsen und in Bayern, die Kalisalze in Niedersachsen, in Hessen und Thüringen und in Südbaden, die Erdöllagerstätten in Nordwestdeutschland, die Erdgasvorkommen im Norddeutschen Tiefland, in Sachsen-Anhalt, im Oberrheinischen Tiefland und im bayerischen Alpenvorland. Die Förderung von Kupfer-, Eisen- und Uranerzen wurde Anfang der 1990er-Jahre völlig eingestellt.

Energiewirtschaft:
Beim Primärenergieverbrauch ist Deutschland zu 73% auf Einfuhren angewiesen. Der Gesamtenergieverbrauch liegt (2000) bei 483,6 Mio.t Steinkohleeinheiten (SKE). Wichtigster Primärenergieträger ist Erdöl mit 38,6%, gefolgt von Kohle mit 24,4% (Steinkohle 13,5%, Braunkohle 10,9%), Erdgas mit 21,1%, das weiterhin an Bedeutung gewinnt (1970: 5,5%). Der Anteil der Kernenergie (2000: 13,0%; knapp ein Drittel der Energieerzeugung) ist 197097 mit etwa 0,6% ständig gestiegen, war aber 19972000 mit etwa 3,4% rückläufig. An der Elektrizitätserzeugung von (1999) 551,4 Mrd. kWh sind v.a. die Energieträger Kernkraft (31,0%), Steinkohle (26,0%), Braunkohle (25,8%) und Erdgas (10,8%) beteiligt. 1999 waren 19 Kernkraftwerke mit einer Kapazität von 22122 MW in 19 Kernkraftwerksblöcken in Betrieb. In den neuen Bundesländern wird Elektrizität v.a. aus Braunkohle (1998: etwa 80%) erzeugt. Wasserkraft ist in Deutschland mit knapp 4%, erneuerbare Energien sind mit etwa 2% beteiligt.

Industrie:
In den westlichen Bundesländern weist die regionale wie auch die sektorale Entwicklung in der Industrie erhebliche Unterschiede auf. Zunächst wurden die traditionellen Zentren des Bergbaus und der Schwerindustrie, das Ruhrgebiet, das Saarland und der Raum HannoverBraunschweigSalzgitterPeine sowie die Handelszentren Hamburg und Bremen begünstigt. Seit den 1960er-Jahren entwickelten sich dagegen die Verdichtungsräume RheinMain, RheinNeckar, München, NürnbergErlangen und Stuttgart als Standorte zumeist wachstumsstarker Industriezweige (Chemie, Pharma, Medizintechnik, Elektrotechnik, Elektronik, Maschinen, Straßenfahrzeugbau) deutlich schneller als die übrigen Teilräume, die norddeutschen Küstenländer Schleswig-Holstein und Niedersachsen (ausgenommen die Agglomerationen Hannover, Hamburg, Bremen) ebenso wie Nordrhein-Westfalen nur noch unterdurchschnittlich.
Auch auf dem Gebiet der ehemaligen DDR war die Industrie der wichtigste Wirtschaftszweig. Die wirtschaftliche Umstrukturierung seit 1989/90 verstärkte den Verlust industrieller Arbeitsplätze, der durch die neugeschaffenen Stellen v.a. im Tertiärsektor nicht ausgeglichen werden konnte. Zwischen 1990 und 1994 sind in den Industrieregionen der ehemaligen DDR rund 2Mio. Arbeitsplätze verlorengegangen. Die großräumige Region Halle-Leipzig (Braunkohlenförderung und -verarbeitung, Energiewirtschaft, chemische Industrie, Maschinenbau), Chemnitz-Zwickau (Maschinen-, Fahrzeugbau, elektrotechnische, elektronische Industrie, Gerätebau, Textilindustrie), oberes Elbtal von Meißen über Dresden bis Pirna (elektrotechnische, elektronische Industrie, Maschinenbau, chemische, Metall verarbeitende, pharmazeutische Industrie), Teile der Niederlausitz (Braunkohlenförderung, Energiewirtschaft) existieren heute nur noch als modernisierte Einzelstandorte. Auch die Wirtschaftsstruktur anderer Industriestädte mit ehemals überregionaler Bedeutung, wie z.B. Magdeburg, Suhl, Rostock und Riesa hat sich stark verändert. Beispiele für moderne Industriestandorte sind z.B. Eisenach (Fahrzeugbau), Jena (optische, elektronische Industrie, wissenschaftlicher Gerätebau, Arzneimittelherstellung), Dresden (Maschinen-, Fahrzeugbau, elektrotechnische, elektronische, pharmazeutische Industrie), Zwickau (Fahrzeugbau) und Leipzig (Maschinen-, Fahrzeugbau).
Im Dienstleistungssektor sind heute 64,2% aller Erwerbstätigen beschäftigt; sein Beitrag zur Bruttowertschöpfung liegt bei 68,7% (2000). Im Wirtschaftszweig Tourismus arbeiten etwa 8% der Gesamtbeschäftigten. Deutschland mit seinen vielfältigen Landschaften ist für den nationalen und internationalen Fremdenverkehr ein beliebtes Reiseland (2001: 37,9 Mio. Auslandsgäste-Übernachtungen).

Außenhandel:
Mit einem Anteil von (2000) 8,7% (Ausfuhr) beziehungsweise 7,6% (Einfuhr) am Welthandel liegt Deutschland hinter den USA an zweiter Stelle. Dem schon traditionellen Defizit der Dienstleistungs- und Übertragungsbilanz steht ein positiver Saldo der Handelsbilanz gegenüber. Sowohl bei den Importen als auch Exporten dominieren die industriellen Produkte (Straßenfahrzeuge, Maschinen, chemische und elektrotechnische Erzeugnisse). Haupthandelspartner sind Frankreich, Italien, die Niederlande, Großbritannien und die USA.

Verkehr:
Im Gütertransport überwog 2001 mit 2,88 Mrd.t der Straßengüterverkehr, gefolgt vom Eisenbahn- (288,2 Mio.t), Binnenschifffahrts- (236,1 Mio.t) und Seeverkehr (242,2 Mio.t). Auch beim öffentlichen Personenverkehr überwiegt der Straßenverkehr. Durch Neubauten v.a. im Zuge der Verwirklichung der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit wurde das Straßennetz des überörtlichen Verkehrs bis 2002 auf 11800 km Bundesautobahnen, 41200 km Bundesstraßen, 86800 km Landesstraßen und 91000 km Kreisstraßen erweitert. Hinzu kommen die Gemeindestraßen. 2000 waren 43,8Mio. Pkw registriert; auf 1000 Einwohner kamen 533 Pkw. Das Schienennetz der Deutschen Bahn AG (nach Zusammenlegung der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Reichsbahn) beträgt nach Verringerungen in den letzten Jahren (2001) 44400 km. Seit 1998 werden im verstärkten Maße nun auch besonders in den neuen Bundesländern unrentable Strecken stillgelegt. Seit 1991 wird das Intercity-(ICE-)Netz ausgebaut. 2002 wurde die Neubaustrecke KölnFrankfurt am Main für den ICE3 in Betrieb genommen. Durch die Binnenschifffahrt werden v.a. Sand und Kies sowie Heizöl und Kraftstoffe befördert. Das Netz der befahrenen Binnenwasserstraßen ist (2001) 7472 km lang. Größter Binnenhafen mit einem Güterumschlag von (2001) 47,0 Mio.t ist mit Abstand Duisburg; wichtigste Binnenwasserstraße ist der Rhein. Der Bestand an Handelsschiffen nimmt weiterhin ab; 2001 fuhren nur noch 605 Schiffe (davon 33 Tanker und 122 Schiffe für die Personenbeförderung) mit einer Tonnage von 6,2 Mio. BRZ unter deutscher Flagge. Größter deutscher Seehafen ist Hamburg mit einem Güterumschlag von (2001) 82,9 Mio.t, gefolgt von Wilhelmshaven (40,8 Mio.t), Bremische Häfen (40,1 Mio.t), Rostock (17,1 Mio.t) und Lübeck (17,0 Mio.t). Der Luftverkehr wird v.a. von der »Deutschen Lufthansa AG« bestritten; die größten Flughäfen sind Frankfurt am Main, München, Düsseldorf, Berlin-Tegel, Hamburg, Stuttgart, Köln/Bonn und Hannover.

Geschichte:
deutsche Geschichte. Über die früheren deutschen Kolonien Schutzgebiete. Zur Frage der Nation deutsche Nation.


deutsche Geschichte.
Zur Vorgeschichte Mitteleuropa (Vorgeschichte).

Entstehung des »Reichs der Deutschen«
Aus den zahlreichen germanischen Kleinstämmen der Zeit um Christi Geburt bildeten sich größere Stammesverbände neu (z.B. Franken, Sachsen, Alemannen, Bayern). Diese »Stämme«, mehr Siedlungseinheiten, besetzten auch die Gebiete innerhalb der römischen Reichsgrenzen und übernahmen Grundelemente der römischen Kultur sowie Reste der spätantiken Verwaltungs- und Wirtschaftsstrukturen; im 3.6.Jahrhundert schufen sie sich politische Strukturen (Herzogtum, Königtum). Die »deutschen Stämme« blieben aber immer eher Verbände, die durch gemeinsame Traditionen zusammengehalten wurden, als dass sie sich zu ethnischen Einheiten entwickelten. Nachdem sie sich im 8.Jahrhundert mit anderen Volksgruppen im Reichsverband Karls des Großen vereinigt hatten, lösten sie sich aus diesem Verband in den Verträgen der Reichsteilungen (Fränkisches Reich) von Verdun (843), Meerssen (870) und Ribemont (880). Ludwig der Deutsche erhielt 843 das Ostfränkische Reich, 880 war mit dem Erwerb der Westhälfte Lothringens im Wesentlichen die (bis 1648 gültige) Grenze zwischen Frankreich und Deutschland festgelegt. Während des späten 9. und frühen 10.Jahrhunderts erstarkten im Abwehrkampf gegen Ungarn und Slawen die deutschen Stammesherzogtümer: Franken, Schwaben, Bayern und Sachsen. Mit der Wahl eines gemeinsamen Königs der ostfränkischen (deutschen) Stämme, KonradI. (911918), zum König des Ostfränkischen Reiches wurde der Zusammenhang mit dem Gesamtreich der Karolinger aufgegeben und die Unteilbarkeit des Ostfränkischen Reichs dokumentiert; 920 tauchte der Begriff Regnum Teutonicum auf (Beleg inzwischen zumeist auf das 12.Jahrhundert datiert). Der Prozess der Herausbildung eines neuen Reiches mit eigener Staatlichkeit hatte einen gewissen Abschluss gefunden. Dennoch verweist die Forschung darauf, dass erst seit dem 11.Jahrhundert neben die fränkische Tradition zunehmend ein »deutsches Bewusstsein« trat und es erst seitdem üblich wurde, die Bevölkerung als Deutsche und das Reich als »Reich der Deutschen« zu bezeichnen. Seit dem 11.Jahrhundert wurde der noch nicht zum Römischen Kaiser gekrönte Herrscher Rex Romanorum (Römischer König) genannt. Staatsrechtlich war durch die Nachfolge der im deutschen Regnum (Reich) gewählten Könige im römischen Kaisertum das (Sacrum) Romanum Imperium (Heiliges Römisches Reich) entstanden und innerhalb dessen das Regnum, für das sich ohne verfassungsrechtliche Fixierung in mittelhochdeutscher Zeit der Name »das deutsche Land« (endgültig seit dem 16.Jahrhundert »Deutschland«) einbürgerte.

Zeit der Ottonen und Salier (9191137)

Ottonen:
Heinrich I. (919936), nur von Sachsen und Franken zum König erhoben, erlangte allmählich dank seiner Erfolge nach außen (Sieg über die Ungarn bei Riade 933) die Anerkennung auch in Schwaben und Bayern. Otto I., der Große (936973), führte das Werk seines Vaters in der Sicherung des Reiches nach außen und innen fort: An der Ostgrenze wurden 936/937 Marken gegen die Slawen (unter Hermann Billung und Gero) sowie 968 Bistümer zur Slawenmission (Merseburg, Zeitz, Meißen, Brandenburg, Havelberg) errichtet. Gegen die Ungarn gelang 955 auf dem Lechfeld bei Augsburg ein entscheidender Sieg, im selben Jahr auch gegen die Slawen, die bayerische Ostmark (Österreich) wurde wiederhergestellt. 950 wurde Böhmen unterworfen. 963 musste Polen die Oberhoheit des Reiches anerkennen. Stütze des Königs im Innern war der Episkopat (Reichskirchensystem). 951/952 zog Otto erstmals nach Italien und nannte sich ohne Krönung Rex Francorum et Langobardorum; auf einem 2. Italienzug 961965 wurde er 962 in Rom zum Römischen Kaiser (Imperator Romanorum) gekrönt. Das Regnum Italiae umfasste Ober- und Mittelitalien mit Ausnahme des päpstlichen Herrschaftsgebiets. Otto II. (973983) war um die Sicherung des vom Vater Erreichten bemüht, doch beim großen Slawenaufstand 983 gingen alle ostelbischen Gebiete verloren. Otto III. (9831002) vermochte sein Ziel einer Erneuerung (Renovatio) des Römischen Reiches (Deutschland und Italien sollten von Rom aus regiert werden) nicht zu verwirklichen. HeinrichII. (100224) wandte sich von den universalistischen Plänen OttosII. ab, konnte die kaiserliche Oberhoheit aber weder gegen Polen noch gegen Ungarn behaupten. Innenpolitisch stützte er sich verstärkt auf die Reichskirche.

Salier:
Konrad II. (102439), erster Angehöriger des salischen Herrscherhauses, erwarb durch Erbvertrag 1032 das Königreich Burgund (Arelat). Unter den ersten Saliern erreichte das Reich die höchste Stufe seiner Macht. Konrads Sohn, Heinrich III., der schon 1026 gewählt, 1028 gekrönt worden war und 103956 regierte, war von der kluniazensischen Erneuerungsbewegung stark geprägt und nahm Einfluss auf die Reform von Kirche und Papsttum, das er aus der Abhängigkeit römischer Adelsfamilien befreite. Böhmen und Ungarn wurden unterworfen und zu Reichslehen erklärt. In der Zeit Heinrichs IV. (10561106) verstärkte sich die Gegnerschaft des Papsttums gegen jede Art des Einflusses von Laien auf kirchliche Angelegenheiten, schließlich auch gegen die königliche Kirchenherrschaft. Im Innern, wo er sich auf Ministerialen und das Bürgertum der aufstrebenden Städte stützte, geriet Heinrich in Gegensatz zu den Fürsten. Diese Entwicklung führte zum Investiturstreit (1075 Verbot der Laieninvestitur, 1076 Kirchenbann über Heinrich, 1077 sein Gang nach Canossa). Erst HeinrichV. (110625) erreichte im Wormser Konkordat 1122 die Beendigung des Investiturstreits mit unterschiedlicher Regelung in Deutschland und Italien, wo der König praktisch jeden Einfluss auf die Besetzung kirchlicher Ämter verlor. Der sich im 12.Jahrhundert vollziehende Übergang von der Grundherrschaft mit der ihr eigentümlichen Naturalwirtschaft zu einem System der Zinsgutbewirtschaftung mit der Möglichkeit, die Frondienste abzulösen, verbesserte die Rechtsstellung der Bauern: An die Stelle einer weitgehenden Bindung an die Scholle trat relative Freizügigkeit. Neben die altadlige Reichsaristokratie traten seit dem 11.Jahrhundert zunehmend Ministerialen; die Reichsministerialen wurden zur Hauptstütze des salischen und (später) staufischen Königtums bei der Verwaltung des Reichsgutes. Das seit dem 10./11.Jahrhundert aufkommende Städtewesen ließ seit dem 12.Jahrhundert die Städte zu einer wichtigen Stütze des Königtums und einem Instrument der Territorialherren beim Aufbau der Landesherrschaft werden; das Bürgertum wurde Träger der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung. Erstmals in freier Wahl, in Abkehr von Geblütsrecht und Designation, wurde Lothar III. von Supplinburg (112537) nach dem Aussterben der Salier zum König erhoben.

Zeit der Staufer (11381254)

Staufer:
Mit der Königswahl des Staufers KonradIII. (113852) gegen den von Lothar designierten Welfen Heinrich den Stolzen wurde der staufisch-welfische Gegensatz begründet. FriedrichI. Barbarossa (115290) hatte die alte Größe des römischen Kaisertums (1155 Kaiserkrönung in Rom) zum Ziel, einschließlich der Beherrschung Italiens. In Deutschland wurde der mächtige Heinrich (X.) der Löwe von Friedrich 117881 seiner Lehen (die Herzogtümer Sachsen und Bayern) enthoben und unterworfen. Seine größte territoriale Ausdehnung fand das Reich unter Heinrich VI. (119097), als diesem 1194 das unteritalienische Königreich Sizilien als Erbe seiner normannischen Gattin Konstanze zufiel. Doch stürzten das Misslingen seines Erbreichsplans und sein früher Tod 1197 das Reich in die Doppelwahl 1198 zwischen dem jüngsten Sohn Friedrich Barbarossas, Philipp von Schwaben, und Otto IV. von Braunschweig, dem Sohn Heinrichs des Löwen. Als Philipp, mit Frankreich verbündet, sich gegen den von England gestützten Otto durchzusetzen begann, wurde er 1208 ermordet. Als Otto IV., 1209 zum Kaiser gekrönt, die staufische Politik, v.a. in Italien, wieder aufzunehmen suchte, erhob Papst Innozenz III. 1212 Friedrich II., den Sohn Heinrichs VI., zum Gegenkönig. Der englisch-französische Gegensatz v.a. war ausschlaggebend für die Entscheidung des deutschen Thronstreits zugunsten Friedrichs II. (121250). Obwohl Friedrich nur 121220, 1235/36 und 1237 in Deutschland war, nahm er starken Einfluss auf die deutsche Politik. Seine Bemühungen um Wiederherstellung und Ausbau des Reichsgutes wurden durch die Fürstenprivilegien (1220, 1231/32) zwar eingeschränkt, aber auch der Territorialpolitik der Reichsfürsten wurden damit Grenzen gesetzt. Die Wiederaufnahme der staufischen Politik in Oberitalien führte zur Entstehung der Parteien von Guelfen und Ghibellinen, die erneute Auseinandersetzung mit dem Papsttum zur Wahl der Gegenkönige Heinrich Raspe (1246) und Wilhelm von Holland (1247). Der Sohn Friedrichs, Konrad IV. (125054), starb im Kampf um das unteritalienische Erbe; der letzte Staufer, Konradin, wurde 1268 in Neapel hingerichtet.

Herrschaft und Kultur:
Inzwischen hatte sich die deutsche Herrschaft und Kultur durch die deutsche Ostsiedlung gewaltig ausgedehnt. Um die Mitte des 12.Jahrhunderts begann die endgültige Unterwerfung der Slawen an Havel, Elbe und Oder, v.a. durch Albrecht den Bären und Heinrich den Löwen. Nach dessen Sturz wurden die slawischen Fürsten in Mecklenburg und Pommern selbst reichsunmittelbare Herzöge. Der Deutsche Orden setzte sich 1226 in Preußen fest und gründete hier einen eigenen Staat, dem noch Kurland, Livland und Estland angegliedert wurden. Auch im geistigen Leben war das Zeitalter der Staufer eine Blütezeit: Die ritterliche Kultur mit Minnesang und höfischer Epik (Hartmann von Aue, Walther von der Vogelweide, Wolfram von Eschenbach), die bildende Kunst mit Spätromanik (»staufische Kunst«) und den Anfängen der Gotik; die Berührungen mit Byzanz und dem Orient in den Kreuzzügen brachten mannigfache kulturelle Anregungen.

Spätmittelalter (12541517)

Mitte 13. bis 14. Jahrhundert:
Nach einer Doppelwahl (1257 Richard von Cornwall und Alfons X. von Kastilien und León) vermochte erst Rudolf I. von Habsburg (127391), der gegen Ottokar II. Premysl von Böhmen gewählt wurde und diesen 1278 besiegen konnte, die Königsmacht nach dem »Interregnum« (125473) wiederherzustellen. Er legte mit dem Erwerb der Herzogtümer Österreich, Steiermark und Krain im Osten den Grund für die habsburgische Hausmacht. Heinrich VII. von Luxemburg (130813) konnte 1311 Böhmen für seinen Sohn Johann erwerben; der Versuch, 131013 die Reichsmacht in Italien wiederherzustellen, brachte ihm die Kaiserkrone (1312), scheiterte jedoch durch seinen frühen Tod. In einer Doppelwahl 1314 wurden der Wittelsbacher Ludwig., der Bayer (131447), und der Sohn Albrechts I., Friedrich III., der Schöne, von Österreich (131430) gewählt, den Ludwig 1322 bei Mühldorf am Inn bezwingen konnte. Ludwigs Ausgreifen nach Italien (1323) führte zur letzten großen Auseinandersetzung zwischen Kaisertum und Papsttum (Johannes XXII.). Die Ansprüche auf päpstliche Bestätigung ihrer Königswahl wiesen die Kurfürsten im Kurverein von Rhense 1338 zurück. Der Luxemburger Karl IV. (13461378), gegen die rigorose Hausmachtpolitik Ludwigs gewählt, machte Böhmen zum Kernland des Reiches. Durch Gewinnung Schlesiens (1348) und Brandenburgs (1373) u.a. Gebiete stärkte er seine Hausmacht. Obwohl er sich 1356 in Arles zum König von Burgund hatte wählen lassen, überließ er dieses bald dem französischen Einfluss. 1355 wurde er zum Kaiser gekrönt. Die Goldene Bulle (1356), das wichtigste Reichsgrundgesetz des Mittelalters, gewährleistete unzweifelhafte Königswahlen und schuf mit der Sicherung der Vorzugsstellung der sieben Kurfürsten eine starke Klammer des Reichsverbandes. Der Ritterstand verlor mit dem Ende der Kreuzzüge, der Festigung der Landesherrschaft und dem Aufblühen der Städte (13./14.Jahrhundert) seine ständische und kulturelle Bedeutung. Doch waren ritterliche Ideale, Literatur und Lebensstil Leitbilder auch für das aufstiegsbeflissene Bürgertum. Spätmittelalterliche Religiosität und religiöse Literatur erlangten ihren Höhepunkt in der deutschen Mystik. Die Wissenschaften fanden in den unter landesherrlicher Patronage errichteten Universitäten (Prag 1348, Wien 1365, Heidelberg 1386, Köln 1388, Erfurt 1392) Eingang.

15. Jahrhundert:
Unter König Wenzel (13781400), Sohn Karls IV., verlagerte sich der Schwerpunkt der Reichspolitik vom königlichen Hof auf die Reichstage; unter seinem Nachfolger Ruprecht von der Pfalz (140010) erfolgte eine weitere Schwächung der Königsmacht. Nach der Doppelwahl der beiden Luxemburger Jobst von Mähren und Brandenburg und Sigismund von Ungarn verhalf nur Jobsts jäher Tod Sigismund (141037) zur allgemeinen Anerkennung als Römischer König. Die auch durch persönlichen Einsatz Sigismunds erreichte Überwindung des Abendländischen Schismas, die Berufung des Konstanzer und des Basler Konzils, schließlich die Kaiserkrönung 1433 führten jedoch nicht zur Stärkung der Königsgewalt. Die in Konstanz erfolgte Verurteilung des Prager Magisters J.Hus als Ketzer und seine Verbrennung lösten den bewaffneten Aufstand der Hussiten gegen Sigismund aus (Hussitenkriege 141936). Wegen der benötigten Hilfe des Reiches, insbesondere der Kurfürsten, für seine Politik musste er Reichsbefugnisse preisgeben. Aufgrund der Bestrebungen der Kurfürsten, ihren Machtanstieg im Reich zu behaupten, wurde das Königtum auf den Reichstagen 1434, 1435 und 1437 erstmals mit Vorstellungen einer Reichsreform (Reformatio Sigismundi) konfrontiert. Kaiser Friedrich III. (144093) war untätig im Reich, sperrte sich aber gegen jede Minderung der kaiserlichen Gewalt und damit gegen eine Reichsreform.

Schwäche der Reichsgewalt:
Der Schwerpunkt der Macht im Reich hatte sich, beginnend mit dem »Interregnum«, dem Übergang zur freien Königswahl und dem Erstarken der Landesfürsten seit 1254, zunehmend vom Reich in die landesherrlichen Territorien verlagert (Landesherrschaft); im Unterschied zum Ausbau frühmoderner Flächenherrschaftsstaaten in den Nachbarmonarchien Westeuropas blieb das Reich bis zu seinem Ende 1806 den Formen des mittelalterlichen »Personenverbandsstaates« verhaftet. Die führenden Geschlechter unter den Landesfürsten waren neben den Habsburgern die Wittelsbacher, seit 1180 Herzöge von Bayern (Altbayern), seit 1214 auch im Besitz der Rheinpfalz (Kurpfalz); die Askanier, 11341319 Markgrafen von Brandenburg und 11801422 Herzöge von Sachsen-Wittenberg; die Wettiner, Markgrafen von Meißen, seit 1247/64 auch Landgrafen von Thüringen und seit 1423 Herzöge (Kurfürsten) von Sachsen; die Welfen, seit 1235 Herzöge von Braunschweig-Lüneburg; die Hohenzollern, seit 1191 Burggrafen von Nürnberg, seit 1415/17 Markgrafen (Kurfürsten) von Brandenburg. Ein inneres Gegengewicht zur fürstlichen Macht entwickelte sich allerdings in den Landständen. Neben dem Kaiser kam auch der Reichstag zu wachsender Bedeutung, in dem neben den Kurfürsten, Fürsten und Reichsgrafen allmählich auch die Reichsstädte eine Vertretung erlangten. Die Reichsreformbewegung, geführt vom Kurfürsten und Erzbischof von Mainz, Berthold von Henneberg, erreichte während der Regierung Maximilians I. (14931519), der wegen der erforderlichen Hilfen gegen die Türken (Türkensteuer) und Ungarn sowie seiner sofort einsetzenden Italienpolitik zu direkten Verhandlungen mit den Reichsständen gezwungen war, ein allgemeines Fehdeverbot (Ewiger Landfriede 1495), die Einteilung des Reichs in zehn Reichskreise und die Einsetzung eines Reichskammergerichts. Maximilian nahm als Erster ohne päpstliche Krönung, aber mit päpstlicher Zustimmung, den Kaisertitel an. KarlV. wurde 1530 als letzter Kaiser vom Papst (in Bologna) gekrönt. Die folgenden Herrscher nannten sich gleich nach der Wahl »Erwählter Römischer Kaiser«, während die Thronerben seitdem den Titel eines »Römischen Königs« führten.

Habsburger und Städtebünde:
Trotz der Schwäche der Reichsgewalt breitete sich die deutsche Siedlung auch nach dem Untergang der Staufer zunächst noch weiter nach Nordosten aus. Die Hanse als Zusammenschluss der norddeutschen Städte erlangte die Vormachtstellung in Nordeuropa. Erst im 15.Jahrhundert erlag der Deutsche Orden dem polnisch-litauischen Reich. Das 16.Jahrhundert brachte den Niedergang der Hanse. Im Westen hatte sich ein neues burgundisches Reich gebildet, das unter der Herrschaft einer Nebenlinie des französischen Königshauses seit 1390 auf die deutschen Niederlande (Brabant, Hennegau, Holland, Luxemburg) übergriff und sie dem Reich entfremdete. Erst die Ehe (1477) Maximilians mit der Tochter Karls des Kühnen, Maria von Burgund, brachte die Habsburger wieder in den Besitz Burgunds (1482). Im Osten sicherte Maximilian durch Eheverbindungen seiner Enkel den Anspruch auf den künftigen Erwerb Böhmens und Ungarns für sein Haus (1526 durch Ferdinand I. realisiert). Die Ehe seines Sohnes Philipps des Schönen mit Johanna der Wahnsinnigen begründete die Vereinigung der Reiche Aragonien, Kastilien und Neapel-Sizilien mit den habsburgischen und burgundischen Ländern in der Hand seines ältesten Enkels Karl (1516). Im Südwesten trennte sich die schweizerische Eidgenossenschaft, die im Kampf gegen die habsburgische Herrschaft entstanden war, vom Reich (Schwabenkrieg); sie versagte seit 1495 den Reichsgesetzen die Anerkennung. Der Verfall des Reichs beeinträchtigte weder die wirtschaftliche noch die kulturelle Entwicklung. Die Städte, die bis zum Ende der Stauferzeit häufig in meist heftigen Kämpfen ihre Freiheit gegen den jeweiligen Stadtherrn errungen hatten (Freie Städte), versuchten im Spätmittelalter, sich in Städtebünden (zum Beispiel im Rheinischen Städtebund von 1254 und 1381) zusammenzuschließen; sie blühten teils als Reichsstädte, teils unterlagen sie dem Landesfürstentum, errangen jedoch wirtschaftlich die Führung. Wie Lübeck und Köln unter den Hansestädten, so traten Augsburg (Fugger), Ulm, Straßburg und Nürnberg unter den süddeutschen Städten hervor. Als herausragender Vertreter des deutschen Frühkapitalismus gewann dessen berühmtester Vertreter, J.Fugger, der Reiche, als Finanzier der Habsburger auch politischen Einfluss. Zugleich kündigte sich immer stärker die soziale Unruhe der Bauernschaft an, die seit der Bundschuhbewegung in den 1490er-Jahren eine ernst zu nehmende soziale Kraft darstellte. In den Bergbau- und Hüttenzentren wuchs ein nicht bodenständiges, von Löhnen abhängiges (Vor-)Proletariat heran, das ein neues Element sozialer Unruhe war und im Bauernkrieg 1524/25 eine beträchtliche Rolle spielte. Der Einfluss der italienischen Renaissance und des Humanismus bewirkte in Deutschland eine Blüte von Kunst und Wissenschaft und eine Ausbreitung des römischen Rechts, was nicht zuletzt auch durch das sich entwickelnde Universitätswesen gefördert wurde.

Reformation und Gegenreformation, das konfessionelle Zeitalter (15171648)

Reformation:
Den Ausgangspunkt der Reformation bildeten M.Luthers 95 Thesen von 1517, zu deren rascher Verbreitung v.a. die Luther anfangs fast durchgängig zustimmenden Humanisten beitrugen; die durch Luthers Auftreten gegen die reformbedürftige Kirche bewirkte Auflösung der mittelalterlichen europäischen Weltordnung als einer einzigen Christenheit gab der Reformation eine weit reichende Wirkung. Indirekt setzte Luthers Landesherr, Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen, durch, dass Luther vor dem Reichstag in Worms 1521 begründen konnte, weshalb er den Widerruf seiner Lehren verweigerte; er wurde im Wormser Edikt als Ketzer in die Reichsacht erklärt, von seinem Landesherrn aber auf der Wartburg in Sicherheit gebracht. Kaiser KarlV. (151956) wurde durch seine vier Kriege gegen Franz I. von Frankreich (152126, 152729, 153436 und 154244) und die Abwehr der Türken gehindert, der Reformation machtvoll entgegenzutreten. Aus dem Bauernkrieg 1524/25 gingen die Landesfürsten gestärkt hervor. Zur Durchführung des Wormser Edikts schlossen sich die katholischen Stände im Bündnis von Regensburg (1524) und dem von Dessau (1525), die evangelischen gegen diese im Gotha-Torgauer Bündnis (1526) zusammen. Gegen den Beschluss der Durchführung des Wormser Edikts auf dem Reichstag zu Speyer 1529 unterzeichneten die evangelischen Reichsstände unter Führung Philipps I. von Hessen eine Protestation (nach der die Evangelischen seither Protestanten genannt wurden). Neben der Lehre Luthers breitete sich v.a. im oberdeutschen Raum das Gedankengut Zwinglis aus. Nach der Rückkehr des 1530 in Bologna vom Papst zum Kaiser gekrönten Karl V. nach Deutschland wurde 1530 der Reichstag in Augsburg abgehalten (Augsburgische Konfession), dessen Ausgang den letzten Ausschlag zum Abschluss des Schmalkaldischen Bundes (1531) der protestantischen Stände gab. Die sich verfestigenden lutherischen Landeskirchen grenzten sich scharf gegen radikale Strömungen, seit 1527 besonders gegen das Täufertum ab. KarlV. entschloss sich 1546 zum militärischen Vorgehen gegen die im Schmalkaldischen Bund geeinten lutherischen Reichsstände. Obwohl der Schmalkaldische Krieg für ihn unter maßgeblicher Mitwirkung von Herzog Moritz von Sachsen in der Schlacht bei Mühlberg (24.4. 1547) siegreich endete, vermochte er diesen Erfolg politisch nicht zu nutzen. Einer monarchischen Reichsreform widersetzten sich auch die katholischen Reichsstände. Der Augsburger Religionsfriede von 1555 brachte die endgültige konfessionelle Spaltung in Deutschland, Karl V. zog sich 1556 resignierend zurück; die Kaiserwürde ging an seinen Bruder Ferdinand I. (155664) über.

Gegenreformation:
Gegen den in Lutheraner und Kalvinisten geteilten Protestantismus erfolgte die Ausbildung der Gegenreformation, als deren politisches Zentrum Österreich und Bayern einen geschlossenen Block im Süden des Reiches bildeten. Unter führender Beteiligung der Jesuiten (u.a. seit 1555/56 an der Universität Ingolstadt) wurde sie politisch nur allmählich wirksam, da Ferdinand I. durch die Abwehr der Türken außenpolitisch zum Taktieren gezwungen war und Maximilian II. (156476) dem Protestantismus zuneigte. Erst in der Regierungszeit Rudolfs II. (15761612) verschärfte der Katholizismus seine Maßnahmen. Im Anschluss an den Reichstag von 1608 bildete sich unter kurpfälzischer Leitung die protestantische Union, der 1609 unter bayrischer Führung die katholische Liga gegenübertrat. Auch Kaiser Matthias (161219) konnte die konfessionellen Gegensätze nicht abbauen, und die entschieden katholische Haltung Ferdinands II. (161937), seit 1617 König von Böhmen, führte mittelbar zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges, der sich vom Glaubenskrieg zum europäischen Machtkampf auf deutschem Boden wandelte. Beendet wurde er durch den 1648 unter Garantie Frankreichs und Schwedens geschlossenen Westfälischen Frieden, dessen Bedeutung v.a. darin bestand, dass die Territorialisierung des Reiches in fast 300 landeshoheitliche Einzelstaaten legalisiert wurde. Die Gewalt des Kaisers blieb fortan auf die formelle Lehnshoheit, einzelne Regierungs- und Privatrechte beschränkt. Das Kurfürstenkolleg wurde erweitert (Pfalz/Bayern 1648, Kurbraunschweig/Hannover 1692).

Zeitalter des Absolutismus (16481789)

Preußisch-österreichischer Dualismus:
Der Überwindung der sozialen und wirtschaftlichen Katastrophe, insbesondere der Bevölkerungsverluste des Dreißigjährigen Krieges, dienten u.a. staatlich gelenkte Bevölkerungspolitik, landwirtschaftliche Förderungsprogramme, Wiederbelebung des Handwerks in den Städten und verbesserte Möglichkeiten für den Handel; der Wiederaufbau leitete unmittelbar in kameralistische und merkantilistische Wirtschaftsformen über. Parallel dazu war in den deutschen Territorien die Tendenz zur Ausbildung des absolutistischen und dynastischen Fürstenstaats zu beobachten, die allerdings nicht einheitlich verlief. Der moderne, zentral regierte, antiständische Staat fand in Brandenburg seit Friedrich Wilhelm, dem Großen Kurfürsten (164088), seine Verwirklichung. Die Militarisierung des sozialen und politischen Lebens in Brandenburg-Preußen ermöglichte den Aufstieg dieses Staates zunächst zu führender Stellung in Nord-Norddeutschland und schließlich zur deutschen und europäischen Großmacht. Es kam dadurch zu einem preußisch-österreichischen Dualismus im Reich, der bis 1871 bestimmend blieb. Der Frieden von Oliva (1660) garantierte die Souveränität des Kurfürsten von Brandenburg im Herzogtum Preußen. 1701 erhob sich Friedrich III. von Brandenburg als Friedrich I. zum König in Preußen (bis 1713). Gleichzeitig stieg Österreich nach dem Sieg über die Türken am Kahlenberg (1683) und dem Frieden von Karlowitz (1699) zur europäischen Großmacht auf.

Kriegerische Auseinandersetzungen im 18. Jahrhundert:
In der Zeit Kaiser LeopoldsI. (16581705) wurde das Reich durch die Wechselwirkung zwischen der Türkengefahr und der Expansionspolitik König Ludwigs XIV. von Frankreich (Rheinbund [165868]) bedroht. Durch einen französischen Angriff von deutschem Boden aus wurde 1672 der niederländisch-französische Krieg eingeleitet, der sich 1674 zum Reichskrieg ausweitete. Danach mussten sich Kaiser und Reich 1679 dem Frieden von Nimwegen anschließen; die Augsburger Allianz (1686) konnte die Ausbreitung Frankreichs (Reunionen, 1681 Wegnahme Straßburgs) nicht wieder zurückdrängen (1688/89 Verwüstung der Pfalz als Folge des Pfälzischen Erbfolgekrieges). Der sächsische Kurfürst Friedrich August I. (August der Starke) war 1697 zum polnischen König gewählt worden (Personalunion bis 1763), Kurfürst Georg Ludwig von Hannover hatte 1714 die Nachfolge der britischen Könige angetreten (Personalunion bis 1837). Der säkulare Gegensatz BourbonHabsburg erreichte im Spanischen Erbfolgekrieg (170113/14) und im Polnischen Thronfolgekrieg (173335) gesamteuropäisches Ausmaß und mündete nach dem Erlöschen des habsburgischen Mannesstamms (Pragmatische Sanktion) in den Österreichischen Erbfolgekrieg (174048). Behielt schließlich das habsburgische Erbhaus durch die Kaiserwahl des Gemahls der Maria Theresia, Franz I. Stephan (174565), auch die vornehmste Stellung im Reich, so verfestigte sich der preußisch-österreichische Dualismus im Siebenjährigen Krieg (175663) und brach im Fürstenbund von 1785 und in den Polnischen Teilungen erneut aus. Im Preußen König Friedrichs II., des Großen, im Österreich Kaiser Josephs II. (176590), im Bayern des Kurfürsten Maximilian III. Joseph, in der Kurpfalz und in Bayern unter Kurfürst Karl Theodor sowie im Baden des Markgrafen Karl Friedrich, aber auch in zahlreichen anderen Territorialstaaten prägte sich die Verbindung von Absolutismus und Aufklärung aus; Letztere führte zu vielseitiger innerer Reformpolitik. Das Bürgertum gelangte zu neuer Bedeutung. Das letzte Drittel des 18.Jahrhunderts brachte eine geistige Blütezeit der klassischen Literatur, den Beginn der Romantik und der (idealistischen) Philosophie in Deutschland.

Das Ende des Reiches und die Befreiungskriege (17891813/14)
Angesichts der Bedrohung durch die Französische Revolution trat der preußisch-österreichische Gegensatz vorübergehend zurück. Kaiser LeopoldII. (179092) und König Friedrich WilhelmII. von Preußen (178697) vereinbarten 1791 die Pillnitzer Konvention, die zur Intervention in Frankreich aufrief und am 20.4. 1792 zur französischen Kriegserklärung führte. Unter dem Druck der Koalitionskriege (das linke Rheinufer fiel 1801 im Frieden von Lunéville an Frankreich) wurde die Auflösung des Reiches eingeleitet, dessen politische und rechtliche Grundlagen, schon 1795 von Preußen im Basler Frieden preisgegeben, der Reichsdeputationshauptschluss 1803 weitgehend zerstörte: Durch Säkularisation und Mediatisierung wurden fast alle geistlichen Territorien beseitigt, so auch die Kurfürstentümer Köln und Trier. Als neue Kurfürstentümer entstanden Hessen(-Kassel), Baden, Württemberg und Salzburg. Die auf die österreichische Niederlage von 1805 folgende Aushöhlung der Reichsidee mit der Erhebung Bayerns und Württembergs zu Königreichen, Badens und Hessen-Darmstadts zu Großherzogtümern, alle eng verbunden mit Frankreich, gipfelte in der Gründung des Rheinbunds (1806). Das französische Ultimatum, das Franz II. (17921806) zur Niederlegung der Kaiserkrone zwang (6.8. 1806), bedeutete das Ende des Heiligen Römischen Reiches. Nach dem verlorenen 4.Koalitionskrieg von 1806/07 (Niederlage Preußens bei Jena und Auerstedt, 1806; Friede von Tilsit, 1807) sah sich der Großteil Deutschlands der europäischen Hegemonie Frankreichs unterworfen. In Österreich erlebte die Reformpolitik der Erzherzöge Karl und Johann und des Ministers J.P. von Stadion nur eine kurze Phase der Erfüllung bis zur militärischen Niederlage (1809) gegen Frankreich und dem Aufstieg K.W. Fürst Metternichs. In den von K.Freiherr vom Stein, K.A. Fürst von Hardenberg und G.von Scharnhorst durchgesetzten preußischen Reformen (Bauernbefreiung, Städteordnung [Selbstverwaltung], Gewerbefreiheit, Steuer-, Heeres- [allgemeine Wehrpflicht] und Bildungsreform) wurde ein Umbau von Staat und Gesellschaft eingeleitet. Auf die militärisch erfolgreichen Befreiungskriege 1813/14 (v.a. Völkerschlacht bei Leipzig, 16.19.10. 1813) folgte im Wiener Kongress (1815) neben der staatlichen Neuordnung Mitteleuropas auch die Regelung der territorialen Gliederung und verfassungsmäßigen Ordnung Deutschlands im Deutschen Bund, einem losen Staatenbund auf der Grundlage der Deutschen Bundesakte vom 8.6. 1815 (1820 ergänzt durch die Wiener Schlussakte). An Mehrheitsentscheidungen des Deutschen Bundes waren die 37 souveränen Fürsten und vier freien Städte gebunden; drei fremde Souveräne (die Könige Großbritanniens, der Niederlande und Dänemarks) waren für ihre deutschen Besitzungen Mitglieder des Deutschen Bundes.

Deutscher Bund und Gründung des Deutschen Reiches (18151871)

Deutscher Bund:
Der Deutsche Bund konnte die erwachende nationale Einheitsbewegung nicht befriedigen. Der unter österreichischer Präsidentschaft stehende Bundestag in Frankfurt am Main bestand aus den Gesandten der Einzelstaaten, während eine gemeinsame Volksvertretung fehlte. Der leitende österreichische Minister Metternich gewann die Führung der Bundespolitik; im Kampf gegen die nationalen und liberalen Bestrebungen, die zuerst besonders in der Studentenschaft (Burschenschaft) hervortraten, veranlasste er die Karlsbader Beschlüsse von 1819 und die gefürchteten »Demagogenverfolgungen«. Die Teilnahme des liberalen Bürgertums am politischen Prozess war damit zunächst unterbunden (»Restauration«). Zwar wurden in Süddeutschland bereits 1818/19 Volksvertretungen geschaffen und der Liberalismus bedeutsam, doch hielt Preußen am Absolutismus fest und unterstützte die Politik Metternichs. 1832 kam es zur Massenkundgebung in der Pfalz, dem Hambacher Fest, was mit weiteren Repressionsmaßnahmen beantwortet wurde. Unter preußischer Führung kam 1834 der Deutsche Zollverein zustande, der dem größten Teil Deutschlands (ohne Österreich) die wirtschaftliche Einheit gab. Gefördert auch durch den Bau der ersten Eisenbahnen (1835 NürnbergFürth, 1839 LeipzigDresden) setzte nun das Industriezeitalter ein.
Der Gedanke der nationalen Einheit und der Ruf nach Verwirklichung des Rechts- und Verfassungsstaats erhielten durch die französische Julirevolution (1830) neue Impulse. Das Bürgertum neigte immer mehr liberalen und nationalen Ideen zu; in dieser Unruhe des »Vormärz« bildeten sich die ersten Ansätze deutscher Parteien heraus. Das Übergreifen der mit der französischen Februarrevolution 1848 einsetzenden Bewegung auf Deutschland in Gestalt der v.a. vom bürgerlichen Mittelstand getragenen Märzrevolution ließ das metternichsche System zusammenbrechen und mündete in die Frankfurter Nationalversammlung. Nachdem König Friedrich WilhelmIV. von Preußen die ihm angebotene Kaiserkrone (am 28.3. 1849 zum »Kaiser der Deutschen« gewählt) abgelehnt hatte und nur die kleineren deutschen Staaten zur Annahme der Reichsverfassung bereit waren, war die bürgerliche Revolution gescheitert; die Aufstände in Sachsen, Baden und der Pfalz wurden niedergeworfen.
Nach 1850 wurden die alten verfassungsrechtlichen Zustände des Deutschen Bundes nach dem Scheitern der Frankfurter Nationalversammlung und dem preußischen Rückzug vor dem österreichischen Ultimatum (Olmützer Punktation, 29.11. 1850) wiederher gestellt. Während v.a. in den süddeutschen Staaten die Reaktion nur zögernd einsetzte, wurde in der Monarchie der Habsburger der Scheinkonstitutionalismus von 1849 annulliert und ein Neoabsolutismus errichtet. In dieser Situation verfassungspolitischen Rückschritts gingen entscheidende Änderungsimpulse von der Wirtschaftsentwicklung und dem zwischen Preußen und Österreich erneut aufbrechenden Dualismus aus.

Gründung des Deutschen Reiches:
Vor der politischen Einigung von 1871 vollzog sich die wirtschaftliche Einigung der deutschen Länder. Ende der 1850er-Jahre war Deutschland schon von einem mehr als 6000 km langen Eisenbahnnetz durchzogen und wurde zu einem einheitlichen Verkehrsgebiet, das einen einheitlichen Markt erschloss. Es entstanden die ersten wirklichen Großbetriebe. Die Führung in der deutschen Frage beanspruchte aufgrund seines wirtschaftlichen und militärischen Potenzials Preußen, wo das Erstarken des Liberalismus im Kampf um die Reorganisation und Kontrolle der preußischen Armee zum preußischen Verfassungskonflikt zwischen Krone und Abgeordnetenhaus führte. Auf dem Höhepunkt der Krise wurde 1862 Bismarck als Kandidat der Militärpartei zum Ministerpräsidenten berufen. Er zielte auf den Bruch des Deutschen Bundes und eine Neugründung durch Preußen. Den von Österreich einberufenen Frankfurter Fürstentag 1863 (zur Beratung des österreichischen Bundesreformplans) brachte er zum Scheitern. Die schleswig-holsteinische Frage und der Deutsch-Dänische Krieg 1864 führten die beiden deutschen Vormächte noch einmal zusammen. Preußens Vorgehen im Konflikt um Schleswig-Holstein (Besetzung Holsteins) und das von Bismarck dem Bundestag vorgelegte Reformprogramm (Neubildung des Bundes ohne Österreich, kleindeutsche Lösung) führten zum Deutschen Krieg 1866, zu dessen wichtigsten innerdeutschen Folgen die Ausschließung Österreichs aus dem deutschen Staatenverband und die Bildung des Norddeutschen Bundes gehörten. Die Bundesverfassung stellte den Reichstag mit allgemeinem, gleichem und unmittelbarem Wahlrecht gleichberechtigt neben den Bundesrat (Vertretung der einzelstaatlichen Regierungen), Bundespräsident war der König von Preußen. Die spanische Thronkandidatur eines Hohenzollernprinzen gab im Juli 1870 Anlass zum Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 (Emser Depesche), der die kleindeutsche Reichsbildung durch Beitritt der süddeutschen Staaten (Novemberverträge von Versailles, Kaiserproklamation des preußischen Königs als WilhelmI. am 18.1. 1871 in Versailles) als einen Bund der deutschen Fürsten und Hansestädte vollendete. Die Reichsverfassung vom 16.4. 1871 ging allerdings über eine Ergänzung der Verfassung des Norddeutschen Bundes nicht hinaus. Oberstes Organ war der Bundesrat, in dem die deutschen Fürsten vertreten waren; eine zentrale Stelle hatte der Reichskanzler. Durch die Friedensschlüsse von Versailles (26.2., davor am 18.1. Ausrufung zum Deutschen Kaiser) und Frankfurt am Main (10.5. 1871) gewann das Reich Elsass-Lothringen zurück und war damit von Anfang an mit der Feindschaft Frankreichs belastet.

Kaiserreich (18711918)

Bismarck:
Die Wirtschafts- und Innenpolitik nach 1871 setzte den Weg der liberalen Kompromisse fort. Bismarck regierte mit den liberal-konservativen Mehrheiten im Reichstag und im preußischen Abgeordnetenhaus, ohne von ihnen abhängig zu werden. Der Kulturkampf gegen den politischen Katholizismus sollte die Liberalen ideologisch auf das System Bismarcks festlegen. Die den instabilen »Gründerjahren« (187173) folgende Depression seit 1873 brachte die organisierten Interessen des Großgrundbesitzes und der Schwerindustrie hinter Bismarcks Kurs der Orientierung auf das konservative Preußen, der Abwehr von Liberalismus und Parlamentarismus und der repressiven Lösung der sozialen Frage (Sozialistengesetz, 1878; 1879 Annahme eines gemäßigten, bis 1890 rasch steigenden Schutzzolls zugunsten von Landwirtschaft und Industrie). Der Preis für diese Lösung des deutschen Verfassungsproblems war eine strukturelle Schwächung von Parlament und Parteien und die Entfremdung der Arbeiterbewegung vom preußisch-deutschen Obrigkeitsstaat, die auch die Schaffung einer vorbildlichen Sozialversicherung (1883) nicht mehr rückgängig machte. Die zunehmende Industrialisierung genügte nicht zur Beschäftigung der sich rasch vermehrenden Bevölkerung; bei der Massenauswanderung nach Amerika verließen Millionen Menschen Deutschland. Dem Tod Kaiser WilhelmsI. folgten die Regierung der 99 Tage FriedrichsIII. und die Thronbesteigung WilhelmsII. (1888). Der Sturz Bismarcks (1890) markierte v.a. außenpolitisch das Ende einer Epoche. Grundlage seiner Außenpolitik waren die Ideen des Gleichgewichts der europäischen Mächte, wechselseitiger Sicherheit und des Interessenausgleichs. Auf dieser Basis ist sein Bündnissystem zu verstehen (Dreikaiserabkommen 1873, Dreikaiservertrag 1881, Zweibund 1879, Dreibund 1882, Mittelmeerabkommen und Rückversicherungsvertrag 1887) als ein Schwebezustand offener diplomatischer Allianzen zur Vermeidung des Kriegsfalles (Höhe- und Wendepunkt: Berliner Kongress 1878). 1884/85 hatte Bismarck »Schutzgebiete« in Afrika (Togo, Kamerun, Deutsch-Südwestafrika, Deutsch-Ostafrika) und der Südsee (u.a. Deutsch-Neuguinea) erworben. Großbritannien tauschte 1890 die Insel Helgoland und den Caprivi-Zipfel gegen bisher deutsche Gebiete in Ostafrika (u.a. Sansibar). Dennoch verschlechterte sich das deutsch-britische Verhältnis zunehmend.

Wilhelm II.:
Die 1890er-Jahre, gekennzeichnet durch die Diskussion um das »persönliche Regiment« Wilhelms II., zeigten einen unbewältigten gesellschaftlichen Wandlungsprozess auf. Ein konstruktiver Ansatz zu innerer Entspannung lag anfangs in dem »Neuen Kurs« der Innenpolitik, den Wilhelm II. und Kanzler L.von Caprivi einschlugen (Fortsetzung staatlicher Sozialpolitik zur Lösung der Arbeiterfrage, sozialpolitischer Versöhnungskurs). Nach dem Sturz Caprivis (1894) fehlte dieser Innenpolitik des »Neuen Kurses« die klare Grundlinie. Die Folgen des Rückgangs der politisch-demokratischen gegenüber der wirtschaftlich-technischen Entwicklung gewannen an Intensität. Das »persönliche Regiment« Wilhelms II. wurde mehr und mehr eingeschränkt, ohne dass Parlament und Parteien in das Machtvakuum nachstießen. Der Reichstagsauflösung 1906 folgte das Experiment des Bülow-Blocks, das aber an dem ungelösten Problem einer Reform des preußischen Wahlrechts und an dem der Reichsfinanzreform scheiterte (1909). T.von Bethmann Hollwegs Innenpolitik als Reichskanzler 190917 war gekennzeichnet von Reformansätzen, die jedoch entweder zu spät kamen oder nur Teilreformen waren. Dem Scheitern der preußischen Wahlrechtsreform (1910) stand der Aufstieg der Sozialdemokratie zur stärksten Reichstagsfraktion 1912 gegenüber.

Deutsche Außenpolitik:
Unter dem Druck handels- und finanzpolitischer Interessen gab die deutsche Außenpolitik endgültig die kontinentaleuropäische Orientierung der Bismarck-Ära auf. Der Ruf nach dem »Platz an der Sonne« (B.Graf von Bülow) wurde zum Ausdruck des Anspruchs auf Gleichberechtigung als überseeische Weltmacht. Die weltpolitische Gruppierung wurde seit der Jahrhundertwende v.a. durch die Einbeziehung Großbritanniens und Deutschlands (seit 1898 Aufbau einer deutschen Kriegsflotte unter A.von Tirpitz; Krügerdepesche) in zwei gegensätzliche Lager gekennzeichnet: Entente zwischen Großbritannien und Frankreich (später Tripelentente) beziehungsweise Zweibund (der Dreibund wurde durch die stille Teilhaberschaft Italiens zur bloßen Form). In den Marokkokrisen 1905/06 und 1911 zeigte sich eine zunehmende deutsche Isolation in Europa. Seit 1911 sah das Deutsche Reich seinen Entwicklungsspielraum auf den Südosten eingeschränkt, wo die Annexion Bosniens durch Österreich-Ungarn (1908/09) das Überlappen der Einflusssphären der europäischen Großmächte zeigte und über die Balkankriege (1912/13) zu der Krisensituation führte, aus der nach dem Mord von Sarajevo an dem österreichisch-ungarischen Thronfolger Franz Ferdinand und seiner Frau der Erste Weltkrieg (191418) ausgelöst wurde.

Erster Weltkrieg:
Sein Ausbruch schuf zunächst eine innere Einheit des Volkes und den »Burgfrieden« der Parteien. Nach dem Scheitern (1915/16) der zunächst erfolgreichen Siegstrategien der Mittelmächte und der Alliierten führte auch in Deutschland die wachsende Kluft zwischen Kriegsbelastung und Friedenschancen seit dem Frühjahr 1916 zum Ende des Burgfriedens. Während die parlamentarische Linke die Beendigung des Krieges und die Einlösung des Versprechens verfassungspolitischer »Neuorientierung« forderte, sahen die Gruppierungen der Rechten bis in das Zentrum hinein im Anschluss v.a. an die innenpolitisch höchst aktive, halbdiktatorische 3. Oberste Heeresleitung (P. von Hindenburg, E.Ludendorff) die Alternative zum Kurs innerer Reform. Erst die Stoßwellen revolutionärer Explosionen 1918 veränderten die innere Kräfteverteilung in Deutschland. Schließlich führte die Ausweglosigkeit der militärischen Lage, verbunden mit den von dem amerikanischen Präsidenten W.Wilson formulierten Grundsätzen für eine Friedensordnung (Vierzehn Punkte), Ende September 1918 zur Bildung einer erstmals aus Parlamentariern bestehenden Regierung unter Prinz Max von Baden, deren Hauptaufgabe die Beendigung des Krieges wurde. Die Novemberrevolution 1918 stürzte die Dynastien, die Republik wurde ausgerufen. Entscheidend für die weitere politische Entwicklung war, dass die Mehrheitssozialisten konsequent auf Errichtung des bürgerlich-parlamentarischen Verfassungsstaats abzielten. In den Wahlen zur Nationalversammlung (19.1. 1919) erhielten die Partner der Weimarer Koalition, die die Regierung übernahm, eine ¾-Mehrheit und konnten weitgehend die Kompromissstruktur der Weimarer Reichsverfassung (11.8. 1919) festlegen; die am 6.2. 1919 zusammengetretene Weimarer Nationalversammlung wählte am 11.2. 1919 F.Ebert (SPD) zum Reichspräsidenten.

Weimarer Republik (191833)
Die erste deutsche Republik war zunächst im Innern geprägt von der Schwäche der die Republik tragenden Parteien und von bürgerkriegsähnlichen Angriffen auf die Republik von links (191923) und rechts (Kapp-Putsch 1920, Hitlerputsch 1923), begleitet von (seit 1922) galoppierender Inflation, Kapitalmangel und Zerrüttung der Wirtschaft. Außenpolitisch bestimmte der Versailler Vertrag (28.6. 1919) die Behandlung des besiegten Deutschlands. Angesichts der französischen Ruhrbesetzung 1923 kam es zum offenen britisch-französischen Gegensatz. Das Verhältnis zu Sowjetrussland wurde im Rapallovertrag 1922 bereinigt. Danach begann eine Periode der Stabilisierung auf der Grundlage der Währungsneuordnung im November 1923 (Rentenmark) und der Neuordnung der Reparationen entsprechend der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Deutschlands (Dawesplan 1924). 1925 schufen die Locarnoverträge (Reichsaußenminister G.Stresemann) die Basis eines Systems kollektiver Sicherheit; 1926 folgte der Eintritt in den Völkerbund; doch konnte die Außenpolitik, zwischen Ost und West schwankend, die Dynamik des extremen Nationalismus im Innern nicht auffangen. Nach Eberts Tod (1925) wurde Hindenburg (Kandidat der Rechten) Reichspräsident. Der als Regelung der Reparationsfrage gedachte Youngplan 1929 führte zur verschärften Aktion der rechtsradikalen Kräfte (Harzburger Front). Die zur Auflösung der Republik führende Periode von 1930 bis 1933 war gekennzeichnet durch ein autoritäres, auf das Notverordnungsrecht des Reichspräsidenten gestütztes, parlamentarisch zunächst durch Sozialdemokraten und Zentrum toleriertes Präsidialsystem (Reichskanzler H. Brüning). Ab 1932 wurden die Regierungen (unter den Reichskanzlern F.von Papen und K.von Schleicher) allein vom Vertrauen Hindenburgs sowie von Kräften der Reichswehr und Interessenvertretern des Großgrundbesitzes getragen. Das Ergebnis dieser Staatskrise stand vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise, die seit 1929 das deutsche Wirtschaftsleben lähmte, die Zahl der Arbeitslosen auf über 6 Mio. hinaufschnellen ließ und die Radikalisierung der politischen Gegensätze (Nationalsozialisten, Kommunisten) vorantrieb. Nachdem Schleichers Pläne einer »Front der Gewerkschaften« unter Einschluss einer von ihm intendierten Spaltung der NSDAP über G. Strasser gescheitert waren, wurde A.Hitler am 30.1. 1933 Chef eines Präsidialkabinetts.

Das nationalsozialistische Deutschland (193345)

Grundzüge:
Legitimiert von einer obrigkeitsstaatlich orientierten Staatsrechtslehre, wurde das Präsidialkabinett Hitler mithilfe scheinlegaler Maßnahmen und offener Rechtsbrüche zur Einparteien- und Führerdiktatur umgebaut: enorme Machtsteigerung der Exekutive mit Mitteln des Präsidialregimes (u.a. erneute Auflösung des Reichstags, Einschränkung der Pressefreiheit, endgültige Gleichschaltung Preußens, Ausnahmezustand und Aufhebung der Grundrechte nach dem Reichstagsbrand, staatsstreichförmige Unterwerfung der Länder nach den noch halbfreien Reichstagswahlen vom 5.3. 1933, Ermächtigungsgesetz vom März 1933 als Legalitätsfassade), Liquidierung des Rechtsstaats (u.a. »Säuberung« des Beamtenapparats und der Justiz von Demokraten und Deutschen jüdischer Abstammung, Zerschlagung der Gewerkschaften, demokratischen Berufsverbände und aller nicht nationalsozialistischer Parteien sowie gesetzliche Verankerung des Einparteienstaats), Aufbau des totalitären »Führerstaates«, der, auf die Rassenideologie gestützt (Nürnberger Gesetze), außenpolitisches Machtstreben mit diktatorischer, den Rechtsstaat durch »Gleichschaltung« aufhebenden Innenpolitik verband (Hitler, Nationalsozialismus). Am kompromisslosesten manifestierte sich das totalitäre System im SS-Staat, dessen Kern das System von Judenverfolgung und KZ war. Demütigung, Entrechtung, Verfolgung der Juden (Judengesetze; Reichspogromnacht 9./10.11. 1938), ihre Vertreibung und schließlich zum Genozid gesteigerte planvolle Vernichtung (Holocaust) war proklamiertes Kampfziel (so genannte Endlösung der Judenfrage). Die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik ging zunächst davon aus, die traditionelle kapitalistische Struktur und effiziente Wirtschaftsbürokratie nutzend, alle Kräfte auf Kriegsvorbereitung und Sicherung der Nahrungsmittelbasis zu lenken, erweiterte aber seit 1936 durch Gründung weit verzweigter Reichsunternehmen, Vierjahresplan und (seit 1941/42) Mobilisierung für Kriegswirtschaft den staatskapitalistischen Bereich.

Widerstand:
Methoden, Motive und Ziele des Widerstandes waren verschieden, teils gegensätzlich (Widerstandsbewegung). Neben den alten Gegnern des Nationalsozialismus auf der politischen Linken standen desillusionierte Konservative. Opposition wurde auch innerhalb der Kirchen wirksam (Bekennende Kirche). 1938 und seit 1942/43 standen Militärs im Zentrum konspirativer Planungen zur Beseitigung des Systems (Attentat vom 20.7. 1944).

Kriegspolitik und Folgen:
Die Rückgewinnung des Saargebiets (1935), die Besetzung der entmilitarisierten Rheinlandzone (1936) und die Schaffung der Achse BerlinRom (1936; Stahlpakt 1939), im Antikominternpakt (1936) mit Japan ergänzt (1940 durch den Dreimächtepakt zur »Achse BerlinRomTokio« erweitert), täuschten im Innern eine erfolgreiche Außenpolitik vor, die (eingeleitet vom Austritt aus dem Völkerbund 1933) im Wesentlichen Kriegspolitik war und seit 1935 in unverhüllt aggressive Politik überleitete, begünstigt durch die v.a. britische Politik des Appeasement. Die Einführung der Wehrpflicht (16.3. 1935), der »Anschluss« Österreichs (Einmarsch 12.3. 1938) und die Einverleibung des Sudetenlands, sanktioniert durch das Münchener Abkommen 1938, gehörten bereits zur unmittelbaren Kriegsvorbereitung. Hinter der Annexion der Tschechoslowakei (15.3. 1939) wurde der Expansionswille des nationalsozialistischen Regimes unübersehbar deutlich. Mit dem trotz britischer Garantieerklärung (31.3. 1939), aber mit Rückendeckung durch den Deutsch-Sowjetischen Nichtangriffspakt (23.8. 1939) unternommenen Angriff auf Polen entfesselte Hitler den Zweiten Weltkrieg. Der Kriegsausgang (Gesamtkapitulation der deutschen Wehrmacht am 7./8.5. 1945 nach Hitlers Selbstmord am 30.4. 1945) besiegelte das Ende des deutschen Nationalstaats in der Form, die er 186771 erhalten hatte. Ermordung von etwa 6 Mio. Juden und von etwa 500000 Zigeunern als schwere Hypothek, über 27 Mio. Tote in der UdSSR, 4,56 Mio. in Polen, etwa 1,0 Mio. in Jugoslawien, 800000 in Frankreich, 386000 in Großbritannien, 5,25 Mio. Tote in Deutschland, 2,5 Mio. Opfer durch Flucht, Vertreibung und Verschleppung von Deutschen, mehr als 10 Mio. Flüchtlinge sowie die Verstümmelung und Teilung des Landes das war die Bilanz der nationalsozialistischen Diktatur für das deutsche Volk.

Teilung Deutschlands (194549)

Aliierte Politik:
Gemäß den Vereinbarungen der Jalta-Konferenz (Februar 1945) verkündete die Berliner Viermächteerklärung vom 5.6. 1945 die »Übernahme der obersten Regierungsgewalt hinsichtlich Deutschlands« durch die USA, die UdSSR, Großbritannien und Frankreich, die Einteilung in vier Besatzungszonen und die Bildung des Alliierten Kontrollrats als oberstes Organ der Regierung in Deutschland durch die vier Siegermächte. Österreich wurde in seine Eigenstaatlichkeit zurückgeführt. Berlin bildete eine besondere Einheit unter Viermächteverwaltung. Die Grundlinien der alliierten Deutschlandpolitik legte das Potsdamer Abkommen (2.8. 1945) fest, in dem die USA, die UdSSR und Großbritannien die Abtrennung der deutschen Ostgebiete festlegten, in Abkehr von früheren Zerstückelungsplänen aber vereinbarten, Deutschland westlich der Oder-Neiße-Linie als wirtschaftliche Einheit zu behandeln und einige deutsche zentrale Verwaltungsstellen zu bilden, wozu es jedoch nicht kam. Bestimmend wurde der sich verschärfende Ost-West-Gegensatz, der in den Kalten Krieg mündete und ab 1945 zur Entstehung zweier getrennter sozioökonomischer Systeme in der sowjetischen und in den westlichen Einflusssphären (Besatzungszonen) führte. Er verhinderte letztendlich auch ein einheitliches deutschlandpolitisches Konzept der Alliierten. Eine schwere Belastung für den wirtschaftlichen Wiederaufbau stellten v.a. in den ersten Nachkriegsjahren Reparationen und Demontagen dar, besonders in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ). Die Folgen von Flucht und Vertreibung etwa 13 Mio. Deutscher aus den deutschen Ostgebieten sowie aus Osteuropa warfen weit tragende Probleme der Eingliederung, v.a. in die westdeutsche Gesellschaft, auf. Dem Potsdamer Abkommen gemäß leiteten die Siegermächte zur Bestrafung der Verantwortlichen und zur Ausschaltung eines Fortlebens des Nationalsozialismus sowie der ihn im deutschen Volk begünstigenden Kräfte die Nürnberger Prozesse sowie Entnazifizierung und Reeducation ein.

Zweistaatlichkeit:
Zur innenpolitischen Grundlage der Spaltung des in vier Besatzungszonen aufgeteilten Deutschlands wurde die Entstehung auf gegensätzlichen Wertvorstellungen beruhender Parteiensysteme und der Neuaufbau von Verwaltung und Regierung. In der SBZ leitete die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) im Juni/Juli 1945 die Bildung eines Blocksystems ein mit der Zulassung von vier Parteien (KPD, CDU, LDPD, SPD), denen die Gründungen kommunistischer, christlicher, liberaler und sozialdemokratischer Parteien in allen Zonen noch 1945 entsprach, ohne dass es jedoch zur Entstehung gesamtdeutscher Parteienorganisationen gekommen wäre. Auch in der Aufgliederung der Besatzungszonen in Länder machte die SBZ den Anfang (1945), die Westzonen folgten 194547. Im April 1946 erfolgte, zum Teil von der Basis getragen, v.a. jedoch unter starker Nötigung der SPD, die Vereinigung von KPD und SPD der SBZ zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) mit W.Pieck und O. Grotewohl als Vorsitzenden (194654). In den Westzonen entstand ein pluralistisches Parteiensystem, in dem bald CDU/CSU und SPD dominierten. Nach dem Scheitern des Versuchs, gemeinsame Maßnahmen der Siegermächte zur Bewältigung der deutschen Wirtschaftsprobleme zu vereinbaren, schritten die USA und Großbritannien zur wirtschaftlichen Vereinigung ihrer Besatzungszonen in Gestalt der Bizone (1.1. 1947; am 8.4. 1949 durch Anschluss der französischen Besatzungszone zur Trizone erweitert), der durch Konstituierung eines Wirtschaftsrats (25.6. 1947), später eines Exekutiv- und eines Länderrats, Elemente der Staatlichkeit verliehen wurden. Auf Gründung und Ausbau der Bizone antwortete die SED im Dezember 1947 mit dem »Deutschen Volkskongress für Einheit und gerechten Frieden«, der als verfassunggebende Körperschaft den Deutschen Volksrat (März 1948) bildete; mit der Deutschen Wirtschaftskommission (DWK; 14.6. 1947) war in der SBZ bereits ein zentrales Exekutivorgan geschaffen worden. Der Konflikt um die im Juni in West und Ost separat durchgeführte Währungsreform steigerte sich bis zur Berliner Blockade und wirkte als Katalysator des Vollzugs der Staatsgründungen unter Führung der Siegermächte. Das von dem im September 1948 konstituierten Parlamentarischen Rat am 8.5. 1949 verabschiedete, am 12.5. von den Militärgouverneuren genehmigte Grundgesetz (GG) für die Bundesrepublik Deutschland wurde am 23.5. 1949 verkündet. Die vom Verfassungsausschuss des Deutschen Volksrats ausgearbeitete Verfassung einer »deutschen demokratischen Republik« wurde vom 3.Deutschen Volkskongress angenommen (30.5. 1949) und vom 2.Deutschen Volksrat verabschiedet (7.10. 1949). Damit waren die Grundlagen der Zweistaatlichkeit Deutschlands geschaffen; von 1949 bis 1990 vollzog sich die deutsche Geschichte dann in getrennten Bahnen.

Deutsche Demokratische Republik (194990)

Besatzungspolitik:
Die DDR war zunächst ein Produkt der Besatzungspolitik. Wichtige Veränderungen in der sozioökonomischen Struktur waren bereits vor Gründung der DDR vorgenommen worden (Bodenreform, Schulreform, Justizreform, Aufbau einer neuen Verwaltung und Zentralverwaltungswirtschaft, Enteignung und Verstaatlichung großer Teile der Industrie). Die SED war das entscheidende politische Herrschaftsinstrument, um aus der SBZ die DDR zu entwickeln; mit der Deutschen Wirtschaftskommission (1947) und dem 2.Deutschen Volksrat (1949) entstanden bereits die Vorläufer einer Regierung und eines Parlaments. Die Konstituierung des Deutschen Volksrats als provisorischer Volkskammer trotz im Vorfeld härtesten Widerstandes von CDU(D) und LDPD sowie entgegen den Verfassungen der Länder der SBZ führte zur Annahme einer Verfassung bürgerlich-demokratischen Charakters (7.10. 1949; laut Gesetz vom 21.4. 1950 bis 1989 National- und Gründungsfeiertag der DDR) sowie zur Bildung einer Regierung unter Grotewohl (11.10. 1949). Damit schloss offiziell die »antifaschistisch-demokratische Umwälzung« ab; es begann nun die Periode der »sozialistischen Revolution«. Fortan wurden Partei, Staat und Gesellschaft mehr und mehr nach dem sowjetischen »Grundmodell des Sozialismus« organisiert und stalinistischen Herrschaftsmethoden unterworfen. Die erste Zäsur war dabei der Beschluss der Parteien und Massenorganisationen, für die Volkskammerwahlen im Oktober 1950 eine Einheitsliste der »Nationalen Front« zur völligen Gleichschaltung der bürgerlichen Parteien aufzustellen, die nach offiziellem Wahlergebnis 99,7% Zustimmung fand. Bis 1950 bildete sich die SED auch zu einer Kaderpartei nach dem Muster der KPdSU um. Ideologische Indoktrination und politische Disziplinierung sollten die Einheit und Schlagkraft der Partei in Staat und Gesellschaft garantieren; dabei wurde das sozialdemokratische Element entgegen der offiziellen Zielsetzung bei der Parteigründung ganz in den Hintergrund gedrängt; der Gedanke eines »besonderen deutschen Weges zum Sozialismus« (A.Ackermann, 1947) war schon früher fallen gelassen worden. Säuberungen, meist begleitet von Verhaftungen (u.a. Juli 1950 gegen »Westemigranten«) hielten den Partei- und Staatsapparat auf der von Ulbricht eingeschlagenen Linie. Für die Phase des sozialistischen Aufbaus (proklamiert als »Schaffung der Grundlagen des Sozialismus«) markierte die 2.Parteikonferenz der SED (Juli 1952) im Sinne des sowjetischen Grundmodells die Zielpunkte: vorrangige Entwicklung der Schwerindustrie, Bildung von landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, verschärfter »Klassenkampf« gegen den bürgerlichen und bäuerlichen Mittelstand, gegen die Intelligenz und gegen die Kirchen. Mit der Errichtung des »Obersten Gerichts« und der »Obersten Staatsanwaltschaft« (1949), v.a. jedoch mit der Gründung des Staatssicherheitsdienstes (Stasi, MfS; Ges. vom 8.2. 1950) sowie der Aufstellung von Streitkräften, zunächst als Kasernierte Volkspolizei (KVP; Mai 1952), waren dafür die entscheidenden Machtmittel geschaffen worden.

Politik des sozialistischen Aufbaus:
Im Zuge der Verwaltungsreform vom 23.7. 1952 wurden die fünf Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern aufgelöst und durch 14 Bezirke ersetzt. Die Politik des sozialistischen Aufbaus wurde weder durch den »Neuen Kurs« (9.6. 1953) noch durch den Aufstand des Siebzehnten Juni 1953 entscheidend verlangsamt. Auch die Konsequenzen der Entstalinisierung 1955/56 wurden in der DDR 1957/58 in Aktionen gegen »revisionistische Abweichler« (Schauprozesse gegen W.Harich, W.Janka, P.Merker, E.Wollweber und K.Schirdewan) gewendet, die Parteiführung dadurch entscheidend stabilisiert. Ab 1956 beschleunigte die politische Führung die Sozialisierung des Mittelstandes (Produktionsgenossenschaften des Handwerks [PGH], staatliche Beteiligung an Privatbetrieben, Kommanditgesellschaften des Handels) und verstärkte die Integration in den »Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe« (RGW). Die ungünstigen Ausgangsbedingungen (schmale Energie- und Rohstoffbasis, Reparationen, Demontagen), zu hoch gesteckte Planziele v.a. in der Schwerindustrie, die bürokratische Wirtschaftsordnungspolitik, die einseitige Ausrichtung des Außenhandels auf die »sozialistische Staatengemeinschaft« und politische Faktoren hatten den 1.Fünfjahrplan (195155) mit erheblichen Rückständen abschließen lassen und den 2.Fünfjahrplan so belastet, dass er abgebrochen und durch einen Siebenjahrplan (195965) ersetzt werden musste. Erst im Mai 1958 waren die Lebensmittelkarten abgeschafft worden. Mit der 1960 abgeschlossenen »Vollkollektivierung« der Landwirtschaft (Bildung der LPG) sah W.Ulbricht, seit 1960 offizielles Staatsoberhaupt (Vorsitzender des Staatsrates), die Voraussetzungen für den Sieg »der sozialistischen Produktionsverhältnisse« gegeben. Infolge der anhaltenden Massenflucht aus der DDR (Sowjetzonenflüchtling), die die SED-Wirtschaftspläne existenziell gefährdete, kam es zur Abriegelung Ost-Berlins (13.8. 1961; Bau der Berliner Mauer, Leiter des Einsatzstabes: E.Honecker) und damit insgesamt der DDR gegenüber der Bundesrepublik Deutschland (Aufbau eines besonderen Grenzregimes an der innerdeutschen Grenze).

Souveränität und Zweistaatentheorie:
Mit der Akzeptierung der Oder-Neiße-Linie im Görlitzer Abkommen (6.7. 1950), der Mitgliedschaft im »Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe« (29.9. 1950) und der Mitbegründung des Warschauer Paktes (14.5. 1955) gewann die DDR an politischem Gewicht im Rahmen der Staaten des Ostblocks. Dem entsprach die schrittweise Aufwertung der DDR durch die UdSSR: Die sowjetische Kontrollkommission wurde (28.5. 1953) durch einen Hochkommissar ersetzt; am 25.3. 1954 und 20.9. 1955 wurde die Souveränität der DDR von der UdSSR anerkannt (mit Ausnahme der den alliierten Berlinverkehr betreffenden Fragen) und am 12.3. 1957 der Vertrag über die Stationierung der sowjetischen Besatzungstruppen unterzeichnet. 1962 folgte die Einführung der Wehrpflicht in der DDR. Gleichzeitig wurde die »Zweistaatentheorie« (deutsche Nation) formuliert, die die Deutschland- und Außenpolitik der DDR sowie der sozialistischen Staaten lange Zeit geprägt hat.

Einparteienherrschaft:
Seit dem VI.Parteitag der SED 1963 begann mit dem so genannten Neuen Ökonomischen System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft (NÖSPL) eine Phase v.a. wirtschaftlicher Experimente zur Erhöhung der Selbstständigkeit der volkseigenen Betriebe (VEB). Die DDR wurde zur zweitstärksten Industriemacht des Ostblocks (nach der UdSSR). Die Verfassung vom April 1968 glich mit mehreren Gesetzeswerken einer sozialistischen Rechtsreform (196168) das bis dahin weitgehend noch bürgerlich-demokratische Verfassungsrecht der Verfassungswirklichkeit in der DDR an, v.a. wurde die Einparteienherrschaft der SED verfassungsmäßig verankert. Parallel zur Integration in das sozialistische Bündnissystem entwickelte die DDR ein System bilateraler »Freundschaftsverträge« (1964 mit der UdSSR, 1967 mit Polen, der Tschechoslowakei, Ungarn und Bulgarien), auf deren Grundlage weitere Abkommen über Handel, Verkehr, wissenschaftliche und kulturelle Verbindungen geschlossen wurden. Internationale diplomatische Anerkennung blieb der DDR trotz einzelner Erfolge bis zum Ende der 60er-Jahre, v.a. wegen der Hallsteindoktrin, versagt. Am 3.5. 1971 übernahm E.Honecker nach einer von ihm maßgeblich mitbetriebenen Intrige des Politbüros das Amt des 1.Sekretärs (seit 1976 Generalsekretär) der SED und des Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates; im Oktober 1976 wurde er auch Vorsitzender des Staatsrates. An der in den Jahren zuvor entwickelten Konzeption wurden einschneidende Veränderungen vorgenommen. In der Wirtschaftspolitik wurde die »immer bessere Befriedigung der wachsenden Bedürfnisse der Bevölkerung« (als »Hauptaufgabe« der Politik) propagiert, in der Innenpolitik aber zugleich ein zunehmend härterer Kurs gegen Kritiker eingeschlagen, der im Verlauf der 70er-Jahre zu zahlreichen Hausarresten (z.B. R.Havemann), Verurteilungen (z.B. R.Bahro) und Abschiebungen (z.B. W.Biermann) in die Bundesrepublik Deutschland führte. Immer mehr Künstler, Schriftsteller, Schauspieler u.a. Bürger verließen die DDR (»Republikflucht« bzw. per Antragstellung auf legale Ausreise).

Deutsch-deutsche Beziehungen:
Im Zuge der neuen Ostpolitik der Bundesrepublik Deutschland (Moskauer und Warschauer Vertrag 1970; Viermächteabkommen über Berlin 1971) kam es zu intensiven Kontakten zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland. Nach Abschluss des Grundvertrages (1972) wurde die DDR von fast allen Staaten diplomatisch anerkannt und 1973 zusammen mit der Bundesrepublik Deutschland in die UN aufgenommen. Die von der DDR letztlich auch in Reaktion auf die neue Ostpolitik und im Bestreben, die nationale Eigenständigkeit zu betonen, verstärkt verfolgte Politik der Abgrenzung von der Bundesrepublik Deutschland führte schließlich zum Verzicht auf den Begriff »deutsche Nation« in der Verfassungsänderung von 1974, in der auch die unwiderrufliche Verbindung der DDR mit der UdSSR festgeschrieben wurde. Nach dem sowjetischen Einmarsch in Afghanistan (Dezember 1979) und im Zusammenhang mit der Entwicklung um die freien Gewerkschaften in Polen seit August 1980 verschlechterte sich das Klima in den deutsch-deutschen Beziehungen, obwohl die DDR-Führung negative Auswirkungen zu begrenzen suchte. Auch nach dem Regierungswechsel in Bonn im Oktober 1982 wurden Begegnungen auf der zwischenstaatlichen Ebene zum Teil verstärkt weitergeführt. In der Ost-West-Auseinandersetzung um die Mittelstreckenraketen in Europa wurde das Bemühen der DDR deutlich, gegenüber der Sowjetunion eigene Interessen geltend zu machen sowie das Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland möglichst wenig durch diese Auseinandersetzung zu belasten. Im Inneren hatte die internationale Rüstungsdiskussion das Entstehen von autonomen Friedensgruppen bzw. einer unabhängigen Friedensbewegung (frühes Zentrum u.a. Jena) zur Folge, die häufig im Konflikt mit dem SED-Regime für Abrüstung in Ost und West eintraten (bekannt u.a.: Schwerter zu Pflugscharen, 198182). Die von evangelischen Christen geforderte Einführung eines »sozialen Friedensdienstes« als Alternative zum Wehrdienst (1979 Initiative u.a. von Pfarrer Christoph Wonneberger [*1944] in Dresden) lehnte die DDR strikt ab.
Zahlreiche Rahmen- und Einzelvereinbarungen zeigten die Weiterentwicklung der innerdeutschen Beziehungen (Kulturabkommen, hohe Kredite/Swing, Verkauf der S-Bahn an den Senat von Berlin [West], Ausbau der Straßenverbindung BerlinHamburg usw.). Der Staatsbesuch des Staatsratsvorsitzenden und SED-Generalsekretärs E.Honecker in der Bundesrepublik Deutschland im September 1987 wurde v.a. in der DDR vielfach als endgültige Anerkennung der Eigenstaatlichkeit gewertet.

Kirche und Opposition:
Ausreisewünsche von DDR-Bürgern führten immer wieder zu Konflikten mit den Behörden; zum Teil nahm sich die evangelische Kirche der Ausreisewilligen an und zog damit die Gegnerschaft des Staates auf sich. Die Kirche bot als einzige große gesellschaftliche Organisation Freiräume auch für alternative politische Gruppen und Strömungen (Bürgerbewegung, Widerstand), deshalb unterlag sie besonders der argwöhnischen Beobachtung des Staates (v.a. des MfS). 1986 entstand die Bürgerbewegung »Initiative Frieden und Menschenrechte« (IFM), die sich erstmals bewusst außerhalb des »Dachs« der Kirche, aber mit ihrem gesellschaftlichen Beistand formierte. Mit einer Friedensdemonstration in Dresden am 13.2. 1982, an der trotz strenger Gegenmaßnahmen des MfS u.a. staatlicher Organe über 7000 Menschen teilnahmen, offenbarte erstmals eine nichtstaatliche Großkundgebung das inzwischen entstandene Protestpotenzial in der Bevölkerung; in verschiedenen Groß- und Kleinstädten der DDR etablierte sich, häufig ansässig in verfallenen Abbruchvierteln, eine freie, selbst bestimmte »Untergrund-Kultur« (»Szene«), die, oft geprägt durch exzessiven Freiheitsdrang in losen Solidargemeinschaften und fast autarken Lebenskreisen, Dekadenz, Narzissmus und z.T. auch bewusster Asozialität, den massenhaften Ausstieg aus dem normierten und dogmatisierten Leben signalisierten. Neben den Kirchen wurden auch die »Klubs« als kulturelle Veranstaltungsorte zu Zentren freier Diskussion. Die in der Sowjetunion unter den Schlagworten Glasnost und Perestroika von Staats- und Parteichef M.Gorbatschow ab etwa 1987 eingeleiteten gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen lehnte die SED-Führung strikt ab und ließ Andersdenkende weiter systematisch überwachen und verfolgen. Sie konnte jedoch nicht verhindern, dass die zunächst noch stark marginalisierte Bürgerbewegung an Breite gewann und das Ende des »vormundschaftlichen Staates« (R.Henrich, 1989) sowie die tatsächliche Beteiligung der Bürger an der Gestaltung von Staat und Gesellschaft auf demokratischer Grundlage einforderte. Der politische Druck einer stark wachsenden Zahl von ausreisewilligen Bürgern auf die Staatsführung, ihnen offiziell das Verlassen des Landes (für immer) zu gestatten, sowie die zunehmende Vernetzung der unterschiedlichen Bürgerrechts- und Friedensgruppen veranlassten die Sicherheitsorgane des Staates (Stasi und Staatsanwaltschaft), dieser Entwicklung mit Vorladungen, Hausdurchsuchungen oder Verhaftungen entgegenzuwirken. Im November 1987 wurden Mitglieder der »Umweltbibliothek« der Zionsgemeinde in Berlin (Ost) verhaftet, im Januar 1988 jedoch aufgrund wachsender Proteste in anderen Städten der DDR wieder entlassen. Am 17.1. 1988 wurden etwa 120 Mitglieder von Bürgerrechtsgruppen (»Kirche von unten«, IFM), die am Rande einer offiziellen Demonstration (zum Gedenken an die Ermordung von Rosa Luxemburg ihre Staatsführung zur Beachtung der Bürgerrechte aufforderten, verhaftet und verurteilt, jedoch später z.T. gegen ihren Willen in die BRD abgeschoben (u.a. Bärbel Bohley, Vera Wollenberger [jetzt Lengsfeld; *1952]).

Zusammenbruch der DDR:
Das innenpolitische Klima verschlechterte sich rapide nach den Kommunalwahlen vom 7.5. 1989, die offensichtlich manipuliert worden waren, und nach Erklärungen von SED-Führung und Volkskammer, in denen im Widerspruch zur Meinung der Bevölkerung die brutale Niederschlagung der Demokratiebewegung in China im Juni 1989 gebilligt wurde. Durch diese Ereignisse und eine Fluchtwelle bisher nicht gekannten Ausmaßes über die ungarisch-österreichische Grenze und Botschaften der Bundesrepublik Deutschland in Prag, Budapest und Warschau erhielten im Frühsommer und Sommer 1989 Forderungen nach politischen Reformen besonderen Nachdruck. Nach einem ersten Grenzdurchbruch im Anschluss an das von der »Paneuropäischen Union« veranstaltete Picknick an der österreichisch-ungararischen Grenze bei Ödenburg (19. 8. 1989) öffnete die ungararische Regierung am 10./11.9. 1989 ihre Grenzen für ausreisewillige DDR-Bürger. Zum Kristallisationskern der sich nunmehr in der DDR immer stärker formierenden Protestbewegung entwickelte sich v.a. das am 9.9. 1989 bei Berlin gegründete »Neue Forum« (Symbolfigur: B.Bohley). Ab September 1989 fanden sich in Leipzig und bald auch in anderen Städten (Berlin, Dresden, Plauen, Halle, Magdeburg u.a.) Menschen zu Demonstrationen zusammen; Anfang Oktober schlug der Gruppenprotest erstmals in Massenprotest um (»Wir sind das Volk«). Zunächst gingen Sicherheitskräfte (Polizei, MfS) zum Teil brutal gegen die Demonstranten vor; besonders an den Tagen um den 7.10., an dem mit großem Aufwand das 40-jährige Bestehen der DDR gefeiert werden sollte, kam es in mehreren Städten zu Übergriffen. Doch der Partei-, Staats- und Sicherheitsapparat konnte Bürgerprotest und Demokratisierungswillen nicht mehr unterbinden; eine friedliche, demokratische Revolution hatte begonnen: Am 9.10. 1989 verlief die Leipziger Montagsdemonstration (70000 Teilnehmer) trotz eines starken Aufgebots bewaffneter Kräfte gewaltfrei. Unter dem Druck der Lage erfolgte am 18.10. 1989, auch auf Betreiben des Politbüros, der Rücktritt E.Honeckers als Parteichef, wenig später auch als Staatschef. Sein Nachfolger in allen Ämtern wurde E.Krenz (seit 18.10. SED-Generalsekretär, seit 24.10. Vorsitzender des Staatsrates und des Nationalen Verteidigungsrates). Dennoch weiteten sich v.a. die Montagsdemonstrationen in Leipzig zu Massenprotesten aus (30.10. 1989: 300000). Am 4.11. demonstrierten in Berlin (Ost) rund 500000 Menschen u.a. für Reisefreiheit, freie Wahlen, Aufgabe des Machtmonopols der SED und die Auflösung des MfS.
Der anhaltende Druck der Demonstrationen, die fortdauernde Fluchtbewegung und das Scheitern eines neuen Reisegesetzes führten, faktisch erzwungen von der DDR-Bevölkerung, zur Öffnung der Berliner Mauer und der Grenzen zur Bundesrepublik Deutschland am späten Abend des 9.11. 1989 (»Nacht des Jahrhunderts«); es kam zu einem Massenbesuch von Bürgern der DDR in Berlin (West) und den grenznahen Städten der BRD. Die Berliner Mauer (bis Juli 1990) und die Anlagen an der innerdeutschen Grenze wurden abgerissen; neue Grenzübergänge wurden geschaffen. In der Folgezeit entwickelte sich eine zum Teil kontrovers geführte Debatte um die Frage der deutschen Einheit, die endgültig ab Dezember auch die Montagsdemonstrationen prägte (»Wir sind ein Volk«; »Deutschland, einig Vaterland«); die Revolution erhielt »nationaldemokratischen« Charakter.

SED verliert Führungsanspruch:
Die Volkskammer der DDR wählte am 13.11. 1989 den SED-Bezirkschef von Dresden, H.Modrow, zum Nachfolger W.Stophs als Vorsitzenden des Ministerrats. Er führte eine Regierungskoalition aus SED und den bisherigen Blockparteien CDU (bis Januar 1990), LDPD, NDPD und DBD, die sich zunehmend aus der Abhängigkeit von der SED lösten und neu profilierten. Die Politik der Regierung Modrow zielte v.a. auf eine Wirtschaftsreform, die im Rahmen einer Vertragsgemeinschaft mit der Bundesrepublik Deutschland erfolgen sollte.
Am 1.12. 1989 strich die Volkskammer die führende Rolle der SED aus der Verfassung der DDR. Weit reichende Vorwürfe wegen Korruption und Amtsmissbrauchs gegen ehemalige Spitzenfunktionäre der SED führten seit Oktober 1989 zu Umbildungen des Politbüros. Schließlich traten am 3.12. das ZK und das Politbüro der SED geschlossen zurück. Auf einem Sonderparteitag (8./9. und 16./17.12. 1989) gab sich die SED ein neues Statut und benannte sich in SED Partei des Demokratischen Sozialismus (SED-PDS) um, seit Februar 1990 nannte sie sich nur noch PDS. Mit einer neuen Führung unter G.Gysi suchte sie sich programmatisch und organisatorisch zu erneuern.

Runder Tisch:
E.Krenz trat am 6.12. 1989 auch als Vorsitzender des Staatsrats und des Nationalen Verteidigungsrats zurück; amtierender Staatsratsvorsitzender wurde M.Gerlach (LDPD), der Nationale Verteidigungsrat wurde aufgelöst. Zur Kontrolle der Regierungsarbeit konstituierten sich am 7.12. Vertreter der Oppositionsgruppen (u.a. Neues Forum, Demokratischer Aufbruch, Sozialdemokratische Partei [SDP]), der Blockparteien und der SED unter der Gesprächsleitung der Kirchen zu einem zentralen »Runden Tisch« (analog wurde bald auch auf kommunaler Ebene verfahren). Dieses Gremium setzte Volkskammerwahlen für den 6.5. 1990 fest (später vorgezogen auf 18.3.). Der »Runde Tisch« vermochte die (bereits Ende 1989 unter wachsendem Druck der demokratischen Öffentlichkeit und unter Beteiligung örtlicher Bürgerkomitees begonnene) Auflösung des im November 1989 in Amt für Nationale Sicherheit umbenannten Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) durchzusetzen und verhinderte die von der Regierung beabsichtigte Gründung eines DDR-Verfassungsschutzes. Gemeinsam mit der Regierung erarbeitete der »Runde Tisch« einen Katalog wirtschaftlicher Maßnahmen und Positionspapiere für die Verhandlungen zwischen den beiden deutschen Regierungen. Anfang Februar 1990 nahm H.Modrow acht Vertreter der Oppositionsgruppen als Minister ohne Geschäftsbereich in die Regierung auf. Gespräche zwischen Bundeskanzler Kohl und Ministerpräsident Modrow in Dresden (19.12. 1989) und Bonn (13./14.2. 1990) hatten die Ausgestaltung der deutsch-deutschen Beziehungen zum Gegenstand.

Erste freie Wahlen und Verhandlungen zur Einheit:
Die großen Parteien der Bundesrepublik Deutschland unterstützten im Wahlkampf zu den ersten freien Wahlen in der DDR ihre Schwesterorganisationen in der DDR massiv. Insgesamt stellten sich 24 Parteien zur Volkskammerwahl am 18.3. 1990. Überlegener Sieger wurde die »Allianz für Deutschland« (AfD; CDU, DSU, Demokratischer Aufbruch [DA]). Dem Vorsitzenden der CDU, L.de Maizière, gelang es, auch die SPD in eine Koalition aus Liberalen und Allianz für Deutschland einzubinden (bis August 1990). Am 12.4. 1990 wählte ihn die Volkskammer zum neuen Vorsitzenden des Ministerrats sowie das neue Kabinett. Er stellte die schnelle Herbeiführung der deutschen Einheit auf der Grundlage des Artikels23 Grundgesetz (alter Fassung) in den Mittelpunkt seiner Politik. Im April 1990 begannen Verhandlungen über eine Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion mit der Bundesrepublik Deutschland, die am 18.5. 1990 mit dem Abschluss eines Staatsvertrages beendet wurden; am 1.7. 1990 trat sie in Kraft. Damit endete auch die Notaufnahme der Übersiedler aus der DDR (Januar bis Juli 1990: 190100). Gleichzeitig wurden Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland für das Gebiet der DDR übernommen, um die Rechtsnormen den Erfordernissen der sozialen Marktwirtschaft anzupassen und Voraussetzungen für ein geeintes Deutschland innerhalb Europas zu schaffen. Nach Ablehnung des Verfassungsentwurfs des »Runden Tischs« durch die Volkskammer wurde als Übergangsregelung die weiterhin gültige Verfassung von 1968 durch »Verfassungsgrundsätze« auf Rechtsstaatlichkeit und marktwirtschaftliche Grundlagen ausgerichtet.

Wiedervereinigung:
Die rapide Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse und der innenpolitischen Situation veranlasste die Regierung, die deutsche Einheit zu einem früheren als ursprünglich geplanten Zeitpunkt anzustreben. Mit ihrer Vollendung durch den Einigungsvertrag, unterzeichnet am 31.8. 1990, und dem darauf basierenden Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland am 3.10. 1990 (Tag der deutschen Einheit) endete die historische Existenz der DDR am 2.10. 1990. Die fünf Länder, die auf dem Territorium der DDR bis 1952 bestanden, wurden nach den Landtagswahlen vom 14.10. 1990 wiederhergestellt (zum Teil in geänderten Grenzen). Strukturanpassung der Wirtschaft (unter Wahrung sozialer Aspekte), Beseitigung der schweren Umweltschäden, Aufbau einer modernen Infrastruktur, Wohnungsbau und Städtesanierung waren die vordringlichsten Aufgaben in den neuen Bundesländern.

Bundesrepublik Deutschland (194990)

Bildung der Bundesrepublik Deutschland:
Wesentliche Schritte zur Gründung der aus der französischen, britischen und amerikanischen Besatzungszone gebildeten Bundesrepublik Deutschland waren die Währungsreform (20.6. 1948) und die Konstituierung des Parlamentarischen Rates (1.9. 1948), der das als provisorische Verfassung gedachte »Grundgesetz« (GG) ausarbeitete, das am 23.5. 1949 verkündet wurde. Aus den Wahlen zum ersten Bundestag am 14.8. 1949 gingen CDU und CSU als stärkste miteinander verbundene Gruppe hervor, dicht gefolgt von der SPD. Aus der Gruppe der kleineren Parteien ragte die FDP heraus. Die radikalen Kräfte des linken (KPD) und rechten Parteienspektrums (DRP) fanden nur ein geringes Echo. Mit der Wahl des Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, K.Arnold (CDU), zum Bundesratspräsidenten (7.9.), von T. Heuss (FDP) zum Bundespräsidenten (12.9.) und K. Adenauers (CDU) zum Bundeskanzler (15.9. 1949) vollzog sich die Bildung der Bundesrepublik Deutschland. Im Rahmen des Besatzungsstatuts war die Regierung Adenauer, eine Koalitionsregierung aus CDU, CSU, FDP und DP, der »Alliierten Hohen Kommission« (AHK) verantwortlich, die im Auftrag der Westmächte die »oberste Gewalt« ausübte. Während die SPD im Sinne einer »sozialistischen Gemeinwirtschaft« (E. Nölting) planwirtschaftliche Vorgaben und die Verstaatlichung der Schlüsselindustrien forderte, leitete die Regierung Adenauer unter Wirtschaftsminister L.Erhard eine Politik der sozialen Marktwirtschaft ein. Sie ermöglichte u.a. die wirtschaftliche Eingliederung der Vertriebenen und Flüchtlinge (Lastenausgleichsgesetz, 1952). Auf der Basis einer kompromissbereiten Politik gegenüber den Westmächten suchte Adenauer mit wachsendem Erfolg die USA, Großbritannien und Frankreich zu Zugeständnissen zu bewegen: die Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland in die »Internationale Ruhrbehörde«, das Ende der Demontage, Beitritt zum Europarat, Revision des Besatzungsstatuts, Errichtung eines deutschen Auswärtigen Amtes und Verzicht auf die Überwachung der Bundes- und Ländergesetzgebung durch die AHK sowie die Beendigung des Kriegszustandes mit Deutschland. Die Ablösung der internationalen Ruhrkontrolle erfolgte 1952 im Zuge der Gründung der Montanunion (Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl). Vor dem Hintergrund des Ost-West-Konfliktes verfolgte Adenauer die Ziele, die Bundesrepublik Deutschland durch ihre enge wirtschaftliche und politische Verflechtung mit dem Westen zu sichern, damit eng verbunden, den deutsch-französischen Gegensatz abzubauen und durch eine »Politik der Stärke« (z.B. Ablehnung der »Stalinnote«, 1952) die UdSSR zur Aufgabe ihres Einflusses in der DDR zu bewegen. Mit einer Politik der Wiedergutmachung suchte er überdies, für die vom nationalsozialistischen Deutschland an den Juden Europas begangenen Verbrechen materiell einzustehen.

Wiederaufbau unter Adenauer:
Nachdem Adenauer unter dem Eindruck des Koreakrieges (195053), besonders unter Zustimmung der USA, einen deutschen Verteidigungsbeitrag vorgeschlagen hatte, setzte in der Bundesrepublik Deutschland eine leidenschaftliche Diskussion über eine deutsche »Wiederbewaffnung« ein: Es entstand eine politisch nicht einheitliche Bewegung gegen die Aufstellung deutscher Streitkräfte (Devise: »Ohne mich«), die 1955 in der Paulskirchenbewegung gipfelte. Nach kontroversen Debatten im Bundestag verpflichtete sich die Bundesrepublik Deutschland 1952, im Rahmen einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) eigene Streitkräfte aufzustellen, und erreichte im Gegenzug im Deutschlandvertrag die Beendigung des Besatzungsstatuts. In den Pariser Verträgen (5.5. 1955) entließen die Westmächte die Bundesrepublik Deutschland in die Unabhängigkeit und ermöglichten ihr die Aufstellung eigener Streitkräfte (Bundeswehr) im Rahmen der Westeuropäischen Union (WEU) und der NATO.
Bei den Bundestagswahlen von 1953 und 1957 konnten die Unionsparteien v.a. dank des Ansehens Adenauers in großen Teilen der Bevölkerung ihre parlamentarische Basis im Bundestag stark verbreitern (1957 Gewinn der absoluten Mehrheit). Als Adenauer in den Pariser Verträgen im Sinne der deutsch-französischen Verständigung der »Europäisierung« des Saargebietes zustimmte, schieden FDP und GB/BHE aus der 1953 mit der CDU/CSU und der DP gebildeten Koalitionsregierung aus. Nachdem die Bevölkerung des Saarlandes in einer Abstimmung (Oktober 1955) die »Europäisierung« abgelehnt hatte, wurde es zum 1.1. 1957 in die Bundesrepublik Deutschland eingegliedert. In der innenpolitischen Auseinandersetzung mit den radikalen Strömungen setzte die Bundesregierung 1952 das Verbot der rechtsextremen Sozialistischen Reichspartei (SRP), 1956 das Verbot der KPD durch. Auf dem Gebiet der Sozialpolitik leitete die Regierung 1957 eine Rentenreform ein. Im Juli 1959 wählte die Bundesversammlung H.Lübke zum Bundespräsidenten. Im »Godesberger Programm« (verabschiedet im November 1959) wandte sich die SPD stärker von marxistischen Gesellschaftspostulaten ab und suchte sich über den Charakter einer Arbeiterpartei hinaus stärker als Volkspartei zu profilieren (Sozialdemokratie). Mit der Unterzeichnung der »Römischen Verträge« (März 1957) setzte Adenauer die Politik der Westintegration fort und vertiefte mit dem Abschluss des Deutsch-Französischen Vertrages (1963) die Politik der Aussöhnung mit Frankreich. Die deutschlandpolitische Entwicklung, die mit der sowjetischen Forderung nach Anerkennung von zwei deutschen Staaten und damit der DDR als zweitem deutschen Staat eine Wende erfuhr, sich in der Berlinkrise (1958) fortsetzte und im Bau der Berliner Mauer (1961) einen Höhepunkt erreichte, schwächte die innenpolitische Stellung Adenauers; hinzu kam eine latente Kritik an seinem Regierungsstil (»Politik der einsamen Entschlüsse«). Nach den Bundestagswahlen von 1961, bei denen die CDU die absolute Mehrheit verlor, sah sich Adenauer im Rahmen einer Koalition mit der FDP auf eine zweijährige Regierungszeit beschränkt und trat 1963 als Bundeskanzler zurück.

Rezession und große Koalition:
Gestützt auf eine Koalition der Unionsparteien mit der FDP suchte Bundeskanzler L.Erhard (CDU; 196366) unter dem Leitbild der »formierten Gesellschaft« alle Kräfte in Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft zur Zusammenarbeit zu bewegen. Unter Aufnahme entspannungspolitischer Elemente (wirkungslos gebliebene »Friedensnote« vom 25.3. 1966 zum Gewaltverzicht) setzte die Regierung unter Erhard, die bei den Bundestagswahlen von 1965 bestätigt wurde, die Außenpolitik Adenauers fort. Vor dem Hintergrund einer sich abzeichnenden Rezession der Wirtschaft sah sich Erhard in den Unionsparteien mit einer Diskussion über die Möglichkeit einer großen Koalition mit der SPD konfrontiert. Nach dem Austritt der FDP-Minister aus der Regierung sah sich Erhard am 30.11. 1966 gezwungen, zugunsten von K.G. Kiesinger (CDU) als Bundeskanzler zurückzutreten, der die Führung einer Koalition aus CDU/CSU und SPD übernahm. Im Zusammenwirken von Wirtschaftsminister K.Schiller (SPD) und Finanzminister F.J. Strauß (CSU) gelang es, mit einem Stabilitätsgesetz Instrumente zur Überwindung der Rezession zu schaffen. Die innenpolitische Diskussion um die Verabschiedung einer Notstandsverfassung und um die Notwendigkeit einer Bildungsreform verband sich v.a. in Kreisen der Intellektuellen und Studenten mit der Kritik am amerikanischen Engagement in Vietnam und artikulierte sich in der außerparlamentarischen Opposition (APO). In der Außenpolitik (Außenminister W.Brandt, SPD) bemühte sich die Regierung um die Modifizierung der Hallsteindoktrin und um die Verbesserung der Beziehungen zu den Ostblockstaaten (noch erfolglose »neue Ostpolitik«).

Deutsch-deutsche Beziehungen unter Brandt:
Im März 1969 wählte die Bundesversammlung G. Heinemann (SPD; bis 1952 CDU) zum Bundespräsidenten. Nach den Bundestagswahlen im September 1969 bildeten SPD und FDP unter der Kanzlerschaft W.Brandts eine Regierung. Die Unionsparteien sahen sich auf die Rolle der Opposition verwiesen. Als »Kanzler der inneren Reformen« wollte Brandt in der Innenpolitik »mehr Demokratie wagen«; er setzte in der Folgezeit in der Außenpolitik mit seiner Deutschland- und Ostpolitik starke Akzente. Unter Verzicht auf die Hallsteindoktrin erkannte seine Regierung die Existenz zweier deutscher Staaten an, die füreinander »aber nicht Ausland seien«. In diesem Sinne traf sich Brandt 1970 mit DDR-Ministerpräsident W. Stoph in Erfurt und Kassel. Um diese Linie der Deutschlandpolitik entspannungspolitisch international abzusichern, schloss die Bundesregierung im August 1970 mit der UdSSR den Moskauer Vertrag, im Dezember 1970 mit Polen den Warschauer Vertrag. Politisch unabdingbar waren diese Verträge verknüpft mit einer für die Bundesregierung »befriedigenden« Berlinregelung. Nach dem Abschluss eines Viermächteabkommens über Berlin (Berlinabkommen, September 1971) traten die Verträge am 3.6. 1972 in Kraft, nachdem es im Bundestag zu schweren Auseinandersetzungen mit der CDU/CSU-Opposition und am 27.4. 1972 zum gescheiterten Versuch eines Sturzes der Regierung (konstruktives Misstrauensvotum gegen Brandt) gekommen war; Kanzlerkandidat der Unionsparteien war R.Barzel. Durch den Übertritt von SPD- und FDP-Abgeordneten zu den Unionsfraktionen ihrer Mehrheit im Bundestag verlustig gegangen, setzte die Regierung Brandt Neuwahlen durch, aus denen die Parteien der Regierungskoalition im November 1972 gestärkt hervorgingen. Mit dem Abschluss des Grundvertrages (Dezember 1972) mit der DDR setzte die Regierung Brandt einen entscheidenden Akzent in den innerdeutschen Beziehungen. In der Folge dieses Vertrages wurden beide deutsche Staaten 1973 Mitglieder der UNO. Im Dezember 1973 kam es zum Abschluss eines Vertrages der Bundesrepublik Deutschland mit der Tschechoslowakei (»Prager« oder »Normalisierungsvertrag«). Innerparteiliche Auseinandersetzungen in der SPD und Spannungen innerhalb der Koalition (z.B. in der Mitbestimmungsfrage) schwächten die Regierung Brandt. Nach der Entdeckung eines Spions der DDR im Kanzleramt (»Guillaume-Affäre«) trat Brandt am 7.5. 1974 als Bundeskanzler zurück.

Energiepolitik, Terrorismus und Nato-Doppelbeschluss:
Am 16.5. 1974 wählte der Bundestag mit den Stimmen der SPD und FDP H. Schmidt (SPD) zum Bundeskanzler. Er übernahm die Führung der sozialliberalen Koalition, die in den Bundestagswahlen von 1976 und 1980 bestätigt wurde. Bundespräsidenten waren in dieser Zeit: W. Scheel (FDP; 197479) und K. Carstens (CDU; 197984). Die Regierung Schmidt stand von Anfang an im Schatten einer weltweiten Rezession. Daher stand der Kampf um die Geldwertstabilität und den Abbau der Arbeitslosigkeit im Vordergrund. 1976 kam es zum Gesetz zur Mitbestimmung. Angesichts steigender Erdölpreise traten in den 70er-Jahren energiepolitische Fragen in den Vordergrund. In der Auseinandersetzung um die Kernenergie bildeten sich aus den Reihen der Kernenergiegegner zahlreiche Bürgerinitiativen, aus denen später die Grünen und in enger Verflechtung mit ihnen die alternative Bewegung hervorgingen. Ausgehend von einer kleinen, aber entschlossenen Minderheit radikaler Kritiker der gesellschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland erreichte der Terrorismus der RAF im »deutschen Herbst« 1977 seinen Höhepunkt. In der Außenpolitik (Außenminister H.-D. Genscher, FDP) beteiligte sich die Regierung Schmidt auf »Gipfelkonferenzen« im europäischen und weltweiten Rahmen (u.a. 1.Weltwirtschaftskonferenz, November 1975 auf Schloss Rambouillet bei Paris) an Bemühungen, die Probleme des Wirtschaftswachstums, der Arbeitslosigkeit und der Energieversorgung zu lösen. Sie beteiligte sich führend an der Errichtung eines Europäischen Währungssystems (1979) und förderte die Aufnahme neuer Mitglieder in die EG. Ebenso aktiv war sie an den Entspannungsbemühungen der KSZE (1975) und ihrer Nachfolgekonferenzen beteiligt. Gegenüber der DDR sowie besonders der UdSSR setzte sie die Ost- und Deutschlandpolitik der Regierung Brandt fort. Unter dem Eindruck des sowjetischen Rüstungsstandes v.a. auf dem Gebiet der Mittelstreckenraketen hatte Bundeskanzler Schmidt maßgeblichen Anteil an der Ausarbeitung des NATO-Doppelbeschlusses (1979). Dieser löste innenpolitisch eine starke Kontroverse aus und aktivierte bis 1983 die Friedensbewegung.

Bundesrepublik in den 1980er-Jahren:
Unterschiedliche Konzepte bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Sanierung der Staatsfinanzen führten im September 1982 zum Zusammenbruch der sozialliberalen Koalition. Am 1.10. 1982 stürzte der Bundestag mit den Stimmen der Unionsparteien und der Mehrheit der FDP-Abgeordneten Bundeskanzler Schmidt und wählte den CDU-Vorsitzenden H. Kohl zu seinem Nachfolger an der Spitze einer Koalition aus CDU/CSU und FDP. Aus den im März 1983 durchgesetzten vorzeitigen Neuwahlen gingen die Parteien der neuen Regierungskoalition gestärkt hervor. Die Partei »Die Grünen« zog erstmals in den Bundestag ein und trat neben der SPD als engagierte Oppositionspartei hervor. Die Bundestagswahlen vom Januar 1987 bestätigten die Regierungskoalition. Im Mai 1984 wählte die Bundesversammlung R.v. Weizsäcker (CDU) zum Bundespräsidenten und bestätigte ihn im Mai 1989 mit großer Mehrheit. In der Innenpolitik standen besonders die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit (Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen), Reformen im Steuersystem (Steuerreformgesetz von 1988 und 1990), Neuordnungsprojekte im sozialen Bereich (Gesetz zur Reform des Gesundheitswesens 1988) sowie die Frage der Kernenergie und deren Entsorgung im Vordergrund. Mit den Stimmen der Regierungsparteien und der SPD (nach dem Rücktritt von W.Brandt als Parteivorsitzendem 1987 geführt von J.Vogel) verabschiedete der Bundestag ein Rentenreform-Gesetz. Zwischen 1984 und 1987 belastete die Parteispendenaffäre das innenpolitische Klima. In ihrer Außenpolitik legte die Regierung Kohl von Anfang an ein starkes Gewicht auf die Weiterentwicklung der europäischen Integration; sie beteiligte sich v.a. an den Schritten zur Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft zur Europäischen Union. Unter Betonung ihrer sicherheits- und deutschlandpolitischen Interessen beteiligte sich die Regierung (über Außenminister Genscher) v.a. im Rahmen der KSZE-Nachfolgekonferenzen an den abrüstungs- und entspannungspolitischen Bemühungen.
Im Sommer 1989 wurden wegen der begrenzten Möglichkeit für DDR-Bürger, ihr Land offiziell zu verlassen, bundesdeutsche Botschaften in Prag, Budapest, Warschau und die Ständige Vertretung in Berlin (Ost) massenhaft von Flüchtlingen aus der DDR besetzt, die so ihre Ausreise erzwingen wollten; nach dem Öffnen der Grenze durch Ungarn (10./11.9.) und einem Einlenken der DDR nach langwierigen Verhandlungen, deren Ergebnis u.a. Genscher am 30.9. in Prag auf dem Balkon des Gebäudes der deutschen Botschaft verkünden konnte, war den Flüchtlingen die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland ermöglicht (insgesamt 15000). Nach der Öffnung der innerdeutschen Grenze durch die DDR am 9./10.11. 1989 kam es zu einem Massenbesuch von Bürgern der DDR in Berlin (West) und in den grenznahen Städten der Bundesrepublik Deutschland neue Grenzübergänge wurden geschaffen Ab 1.1. 1989 bis Ende Februar 1990 kamen über 482000 Übersiedler in die Bundesrepublik Deutschland. Es begann eine neue Phase der innerdeutschen Beziehungen, die zuerst durch die Veränderungen in der DDR, dann durch die nationale und internationale Diskussion einer plötzlichen Lösungsmöglichkeit der deutschen Frage geprägt wurde.

Die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands (1989/90)
Aus der durch die friedliche Revolution in der DDR und die Grenzöffnung grundsätzlich veränderten Situation ging der deutsche Einigungsprozess hervor. Auf Regierungsebene standen sich zunächst das Konzept der »Vertragsgemeinschaft« (Modrow, 17.11. 1989) sowie das einer Konföderation (Kohls Zehn-Punkte-Plan, 28.11. 1989) gegenüber. Dagegen forderten ostdeutsche Demonstrationsmehrheiten mit immer größerem Nachdruck freie Wahlen sowie die Wiedervereinigung. Zur Ausgestaltung der deutsch-deutschen Beziehungen fanden am 19.12. 1989 in Dresden und am 13./14.2. 1990 in Bonn Gespräche zw. Kohl und Modrow statt. Der Prozess der deutsch-deutschen Annäherung erreichte eine hohe Eigendynamik, getragen auch von den Erwartungen der Menschen in der DDR und gefördert von dem weiterhin hohen Strom von Übersiedlern in die Bundesrepublik Deutschland (1989Oktober 1990: 700000). Nach den Wahlen vom 18.3. 1990 in der DDR konnte die schnellstmögliche Herbeiführung der deutschen Einheit in Angriff genommen werden (ab April 1990 Verhandlungen über eine Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion; am 18.5. 1990 Unterzeichnung des Staatsvertrages, ab 1.7. 1990 in Kraft).
Die Bundesregierung war bestrebt, den Einigungsprozess außenpolitisch abzusichern und die Bundesrepublik Deutschland als verlässlichen Vertragspartner ihrer Nachbarstaaten darzustellen. Der Einbettung in einen gesamteuropäischen Prozess im Rahmen der KSZE dienten die Verhandlungen der beiden deutschen Staaten mit den ehemaligen Siegermächten des Zweiten Weltkrieges (Zwei-plus-vier-Gespräche; konzipiert Ottawa, Februar 1990); sie wurden am 12.9. 1990 in Moskau mit dem Abschluss des »Vertrages über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland« beendet (Zwei-plus-vier-Vertrag).
Zuvor hatte schon der Bundestag in zwei Erklärungen (8.11. 1989, 8.3. 1990) die Endgültigkeit der polnischen Westgrenze erklärt, die durch eine gleich lautende Entschließung von Bundestag und Volkskammer am 21.6. 1990 bekräftigt wurde. Die staatliche Vollendung der deutschen Einheit durch den Einigungsvertrag, abgeschlossen am 31.8. 1990, wurde begleitet von der Wiederherstellung der vollen Souveränität Gesamtdeutschlands (»Suspendierungserklärung« der Alliierten vom 1.10. 1990 über den Verzicht auf noch bestehende Rechte in Bezug auf Berlin und Deutschland), sodass es seit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland am 3.10. 1990 wieder ein souveränes geeintes Deutschland gibt.

Das vereinigte Deutschland (seit 1990)

Eingliederung der DDR in die Bundesrepublik:
Nach den Landtagswahlen vom 14.10. 1990 wurden die auf dem Territorium der DDR 1952 aufgelösten, nunmehr (zum Teil bei geänderten Grenzen) wiederhergestellten Länder in die föderale Struktur der Bundesrepublik Deutschland eingegliedert; außer in Brandenburg (dort die SPD) übernahm die CDU, bis 1994 zumeist in Koalitionen mit der FDP, die Führung der Regierung. Bereits Mitte 1990 hatte der Prozess der organisatorischen Eingliederung besonders der Parteien und Gewerkschaften der DDR in entsprechende bundesdeutsche Organisationen begonnen. Unmittelbar nach der Vereinigung der beiden Staaten, am 4.10. 1990, bezog Bundeskanzler Kohl ostdeutsche Politiker (u.a. L. de Maizière) als Minister ohne Geschäftsbereich in die Regierung ein. Nach dem Einigungsvertrag galten die völkerrechtlichen Verträge der Bundesrepublik Deutschland für das vereinigte Deutschland fort. Im Rahmen von »Übergangsregelungen« (22.10. 1990) wurde das Gebiet der früheren DDR in das Vertragssystem der EG einbezogen. Unter Reduzierung der Mannschaftsstärke der Bundeswehr und Auflösung der NVA der DDR blieb das vereinigte Deutschland Mitglied der NATO. Während die westlichen Mächte (Frankreich, Großbritannien, USA) in reduzierter Form zunächst weiterhin Truppen in Deutschland unterhielten, vereinbarten Deutschland und die UdSSR in einem Stationierungsvertrag (12.10. 1990) den Abzug der sowjetischen Streitkräfte bis Ende 1990 (Abschluss am 31.8. 1994). Am 8.9. 1994 verabschiedeten sich die Truppen der Westalliierten. Seit 1993 ist ein neues NATO-Truppenstatut in Kraft.

Innenpolitik:
Innenpolitisch rückte die Beseitigung der gesellschaftlichen, historischen und wirtschaftlichen Folgen der Teilung sowie die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Bundesländern ins Zentrum der Politik. Die ersten gesamtdeutschen Wahlen am 2.12. 1990 bestätigten die CDU/CSU-FDP-Koalitionsregierung unter Bundeskanzler Kohl. Am 20.6. 1991 beschloss der Bundestag mit knapper Mehrheit die Verlegung des Bundestags- und Regierungssitzes nach Berlin, das im Einigungsvertrag neu als deutsche Hauptstadt bestimmt worden war. Als erstes Verfassungsorgan nahm der Bundespräsident im Januar 1994 seinen Sitz in Berlin.
Große Bedeutung erlangten für die erste gesamtdeutsche Regierung innenpolitisch die Umstrukturierung der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialordnung in den neuen Bundesländern, der 199193 zunehmende Rechtsextremismus (v.a. Anschläge auf Asylantenwohnheime) sowie die Fragen der europäischen Einigung sowie des Asylrechts.
Von großer rechtspolitischer Brisanz erwiesen sich das umfangreiche Aktenmaterial des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR (»Stasi-Akten«) sowie die strafrechtliche Verfolgung von Straftaten, die durch die Staatsorgane der DDR oder in ihrem Auftrag begangen worden waren (»Regierungskriminalität«, z.B. Tötung von Flüchtlingen an der innerdeutschen Grenze, Staatsschutzdelikte). Die ab 1992 geführten Prozesse (u.a. gegen E.Honecker, E.Mielke und E.Krenz) zeigen jedoch, dass die justizielle »Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland« (Name der ersten Enquetekommission des Deutschen Bundestages, 199294) unzureichend bleiben muss.
Am 23.5. 1994 wählte die Bundesversammlung R.Herzog (CDU) zum Bundespräsidenten. Nach den Wahlen vom 16.10. 1994 konnte die Regierung unter Bundeskanzler Kohl die Regierungsarbeit mit knapper Mehrheit fortsetzen. Innenpolitisch rückten seit Mitte der 1990er-Jahre der Abbau hoher Abgaben- und Steuerlasten, Reformen des Sozialsystems sowie Deregulierungsmaßnahmen in den Vordergrund. Die Zukunft des Sozialstaates allgemein sowie die Einführung des Euro als Währung in Deutschland traten 1996/97 in den Mittelpunkt der Diskussion. Bei den Bundestagswahlen am 27.9. 1998 siegte die SPD unter ihrem Kanzlerkandidaten G.Schröder, der nach zügigen Koalitionsverhandlungen an der Spitze eines von SPD und Bündnis90/Die Grünen gebildeten Kabinetts am 27.10. 1998 zum Bundeskanzler gewählt wurde. Seine Regierung stand v.a. vor der Aufgabe, zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts und gegen die Wachstumsschwäche in Deutschland wichtige Reformen einzuleiten (u.a. Steuerreform, Mai 2000). Mit führenden deutschen Energieversorgern konnte ein Kompromiss zum langfristigen »Atomausstieg« vereinbart werden; erfolgreich verhandelt wurde außerdem die überfällige Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern (beides Sommer 2000). Mit zum Teil umstrittenen Maßnahmen (u.a. Gesundheits-, Renten- und Steuerreform 2000/2001) sollte ein Umbau der Sozialsysteme zu deren Sicherung eingeleitet werden. Die innenpolitische Diskussion in Deutschland wurde daneben v.a. beherrscht von der der Änderung im Staatsbürgerschaftsrecht ab 1.1. 2000 und dem Ringen um ein Gesetz zur geregelten Zuwanderung und Integration sowie den Auswirkungen der ab November 1999 offenbar gewordenen Finanz- und Parteispendenaffäre zunächst der CDU, ab 2002 auch der SPD. Eine große nationale Kraftanstrengung erforderte die Beseitigung der immensen Schäden, die von der durch extreme Witterungslagen ausgelösten Hochwasserkatastrophe auf 800 Flusskilometern im Bereich der Flüsse Elbe, Mulde und Donau im August 2002 verursacht wurden und von denen Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg, aber auch Bayern und Niedersachsen betroffen waren (Umfang der Schäden nach erster Abschlussbilanz Ende 2002: insgesamt 9,2 Mrd.). Mit dem »Flutopfer-Solidaritätsgesetz« und dem Fonds Aufbauhilfe (7,1 Mrd.), Mitteln aus den Strukturfonds der EU (etwa 444 Mio.) sowie einer beispiellosen privaten Hilfs- und Spendenbereitschaft sowie Solidarität in Ost und West (etwa 130 Mio. bis Ende August 2002) konnten Soforthilfen in die Wege geleitet werden. Am 19.4. 1999 tagte der Deutsche Bundestag erstmals in seinem neuen Sitz in Berlin (umgebautes Reichstagsgebäude); der Umzug der Bundesregierung nach Berlin fand großteils im August 1999 statt. Im Mai 2000 nahm auch der Bundesrat seinen Sitz in Berlin. Am 23.5. 1999 wurde J.Rau (SPD) zum Bundespräsidenten gewählt. Für die Bundestagswahlen am 22. 9. 2002 wurde mit E.Stoiber nach 1980 (F.J. Strauß) wieder ein Politiker der CSU Kanzlerkandidat von CDU und CSU (Nominierung im Januar 2002). Erstmals gab es nahezu ein Stimmenpatt der großen Volksparteien. Die Fortsetzung der »rotgrünen« Koalition unter Schröder (Wiederwahl des Bundeskanzlers und Vereidigung des Kabinetts am 22.10., Regierungserklärung vom 29.10. 2002) wurde als Auftrag gewertet, energischer die unumgänglichen Reformen mit unvermeidbaren tiefen sozialen Einschnitten in Angriff zu nehmen.

Außenpolitik:
Erste außenpolitische Maßnahmen des vereinigten Staates waren der Abschluss zweier Grundsatzverträge mit der UdSSR (9.11. 1990, DeutschSowjetischer Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit) und Polen (14.11. 1990). Im Deutsch-Polnischen Grenzvertrag wurde die Oder-Neiße-Linie als völkerrechtlich verbindliche Grenze zwischen Deutschland und Polen festgelegt. Am 27.2. 1992 wurde der Deutsch-Tschechoslowakische Nachbarschaftsvertrag abgeschlossen, dem 1997 die Deutsch-Tschechische Erklärung folgte. Mit der Unterzeichnung der Maastrichter Verträge (7.2. 1992) war die Frage der europäischen Integration in ein neues Stadium getreten. In der Außenpolitik setzt Deutschland seine aktive Beteiligung am KSZE- bzw. OSZE-Prozess, an der europäischen Integration (Vertrag von Amsterdam, 1997) sowie der Lösung von internationalen Konflikten fort (u.a. Beteiligung von Bundeswehreinheiten an NATO-Friedenstruppen in Bosnien und Herzegowina seit 1995 und bei der Kosovokrise 1998/99). Gegen die Beteiligung an den NATO-Luftschlägen gegen Jugoslawien (1999) wurde nur verhaltene Kritik geäußert; auch die Beteiligung der Bundeswehr an der NATO-Operation »Essential Harvest« in Makedonien August/September 2001 fand schließlich eine mehrheitliche Zustimmung in der Bevölkerung und im Parlament. Als Deutschland nach dem Terroranschlag vom 11.9. 2001 auf New York und das Pentagon mit neuen bündnis- und weltpolitischen Verpflichtungen konfrontiert wurde, sah sich Bundeskanzler Schröder Mitte November 2001 veranlasst, erstmals in der deutschen Geschichte eine Sachfrage, den Bundestagsentscheid über Beteiligung der Bundeswehr an der Afghanistan-Friedenstruppe (ISAF), mit der Vertrauensfrage zu verbinden, und überstand diese (16.11.). Ab Sommer 2002 schloss die Bundesregierung eine Beteiligung deutscher Truppen an einem möglichen Militäreinsatz der USA gegen Irak (als Präventivschlag) aus; CDU/CSU und FDP betonten, dass für geeignete Maßnahmen gegen Irak eine Resolution des UNO-Sicherheitsrats vorliegen muss. Im Januar 2003 wurde Deutschland erstmals nichtständiges Mitglied im Weltsicherheitsrat (bis Ende 2005).Die ablehnende Haltung der deutschen Bundesregierung im Irak-Krieg (März/April 2003) führte zu tiefer greifenden Meinungsverschiedenheiten und Irritationen im Verhältnis zu den USA und Großbritannien sowie zu Belastungen in den innereuropäischen Beziehungen. Seit 1.1. 1999 ist Deutschland Mitglied der Euro-Zone; die Einführung des Euro-Bargeldes und die Ablösung der D-Mark als gesetzliches Zahlungsmittel zum 1.1. 2002 verlief komplikationslos.

Literatur:
Handbücher: Handbuch der deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, herausgegeben von H.Aubin u.a., 2Bände. Stuttgart 197176. Band1 Nachdruck 1978.
Handbuch der deutschen Geschichte, herausgegeben von H. Grundmann, 22Bände. Taschenbuchausgabe. München 615198696.
Henning, F.-W.: Handbuch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands, auf 3Bände berechnet. 1991folgende.
Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte, herausgegeben von A.Haverkamp u.a., 10., völlig neu bearbeitete Auflage, 24Bände. Stuttgart 2001folgende.
Nachschlagewerke: Sachwörterbuch zur deutschen Geschichte, herausgegeben von H. Rössler u.a. München 1958, Nachdruck Nendeln 1978.
Enzyklopädie deutscher Geschichte, herausgegeben von L. Gall, auf 100 Bände berechnet. München 121988folgende.
Die großen Deutschen unserer Epoche, herausgegeben von L. Gall. Neuausgabe. Berlin 1995.
Ploetz, deutsche Geschichte: Epochen und Daten, herausgegeben von W. Conze und V. Hentschel. Lizenzausgabe Darmstadt 61998.